COMMUNIST EAST GERMAN PRESS SERVICE
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Collection:
Document Number (FOIA) /ESDN (CREST):
CIA-RDP82-00038R001000250007-8
Release Decision:
RIFPUB
Original Classification:
K
Document Page Count:
18
Document Creation Date:
December 22, 2016
Document Release Date:
January 12, 2011
Sequence Number:
7
Case Number:
Publication Date:
May 29, 1949
Content Type:
MISC
File:
Attachment | Size |
---|---|
CIA-RDP82-00038R001000250007-8.pdf | 4.97 MB |
Body:
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Approved For Release 2011/01/12 : CIA-RDP82-00038R001000250007-8
eutscher Volkskongrea 29. Mal 1949
(Pressedienst)
Rede von Otto d:roteyvohl
zum Entwurf der Verfassung
der Deutschen Dem.okratischen Republik
=,
Der Deutsche VolkskongreB hat in seinern BeschluB vom 18. 7 rz
den von i_hm. gem/Kill-ten Deutschen Volksrat beauftragt, .1.'achausschtisse
zu.bilden.,.. die sich der Bearbeitung derjenigen Fragen vtridmen_
die- sicia - wie es in dem BeschluB heiBt - "a.us4;lerprograMmatischen
-Z-ielsetZung des Deutschen Volk'skongresses ergeben.". An zweiter Stelle
wurd-e, der Verfassurigsausachul3 gen'annt, der bald n.ach dem zwpiten
VOlkskongreB sich konstituierte -und sich die Bearbeitung der deut-
schen- Ve-rfassungsprobleme zur-Aufgabe stellte. Dabei wurde Mir die
Lej..tung dieses Auschusses tibertragen. Der AusschuB hat em n Jahr ge-
ar13.eitiet und unter Hinzuziehung vieler Staatsrechtler und anderer
-Sac.hvorstandiger eine intensive Tb..tigkeit entfaltet. Die Arbeit des
Ausschusses fand ihren AbschluB mit der Ausarbeiturng eines "Entwurfes
-der verfassung der Deutschen Demokratischen Republik", der auf der'
6-. Sitzung descpeutschen Volksrates vom 1.9. -itarz 1949 angenommen und-'
,zur 13estittigun.g dem 3. Deutschen VolkskongreB tiberwiesen wurde: In
Verlauf seiner Ausarbeitung 1st der Entwurf': verschiedentlich sowohlz'
dem Volksrat .als smell der Off4utlichkeit zur Diskussion unterbreitet"
woroden. So wurden erStmalig am 3. August 1948 die von dem Verfassungs-
ausschuB en.tworfenen "Richtlimien ftir. dip Verfassung der?Deutschen
Demokratischen Republik" der 4. Sitzung des- Deutschen Volksrates 4or
gelegt und diskutiert. .Anschlief3end wurden diese Richtlinien verOffentr-
-licht, womit die Diskussion des Verfassungsentwu.ifes in der Offent-
lichkeit einsetzte. Diese Diskussion auswertend, verabschiedete der
Verfassungsau.sschuf3 nach nochmaliger eingehender Beratung einen par6=-
graphi.erten Entwu.rf,. den ersten Entwurf, der dem Deutschen Volksrat 4
auf . der 5. Sitzung am 22.. Olctober 1948 vorgelegt und b-eraten wurde.
Die we inungsauBerung der ff entlichke it erfolgte in Versammlungen aller
Art, durch die. Presse, den Rundflank und durch direkte Zuschriften an
clas SOretari'at des. Deutschen Volksrates in Form von Stellungnahmen,,
Re.solutionen, :Abanderu.ngs- land.* Erganzungsvorschlfsigen. Insgesamt fan
den etvita 9 000 Versammiungen, in denen die verfa,ssung diskutiert war-
de, in alien Teilen Deutschlands .statt. Es wurden ti.ber 15 000 Resolu;
tionen .von Parteien, Organi.sationen Lind sonstigen institutionen zur
VerfasSungscliskussion und 503 Abiinderungsvorschlage zu.m.Verfassungs-
entWurf dem Deutschen ?Volksrat zugesandt; ,Die meisten Resolutionen
waren zustimmenden.Charakters. in Sekretariat des Deutschen Volksrates
wurde die Sichtung des eingega.ngenen Materials und seine Zusammerxste)..-
lung n.ach den einzelnen Teilgebieten der Verfassung- durchgeftihrt.'
Der VerfassungsausschuB und seine Unteraussc.:htisse traten an Hand der
Erge.bnisse- dieser Diskussion noch einmal in .die Beratung des-Entwur
fes em und verabschiedeten den Zweiten. Entwurf, der als endgtatige
.Passuna auf der 6. Sitzung des Deutschen Volksrates am 19. Marz die-
ses jahres angenomMen wurde zwecks zur Bestlitigung durch den
3.- VolkskongreB.
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eutscher. Volkskongrel3
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Mai 1949
(PreSsedienst), Rede von Otto Grotewohi - 2
Der Entwurf wurde in einer Periode verschi.edener poli.tischer Ent
wicklung2stufen geschaffen, in der die "Sideraprtiche der internationa-;
len Politik, in der das Deutschland-Problemi-Eas eines der ''.iternpro-
bleme- vezIlochten jet, sttindig? anwachsen. Der ?Ver?assungsentwurf
li.egt *dem- Kongrefil in einem Au.gerfOlick zur 3estati.gung.vor, indem
diese. Widersprilehe ihren 4ultainatioxispunkt erreicht haben, und in dem
ale hoffentlicli auf der Tagung des Rates derAuSenmini6ter in Paris
ihrer LOsung entgegengfWart 'werden kiinnen. Der Entwurf- dart' nicht
lediglich ala em n juristisches Werk, bewertet werderi. -DieI-elitscheidun4
gen titer die deutsche Staatsgewalt,, die er enthElt, die in ihm,'fest-:
ge.legte FOrmungides Aufbaues der deutscilen Staatsorganisation und der
Fanktion der .deut:3chen .4taatsorgan,e, das sind 2olitische.Entscheidun--:
gen von e#inentei Tragweite. Hier wird eine ganz--.17FriFiVie Stellu.ng
innerhal-b der pOlitisciaen is.timpre um Deutschland bezogen. Der AnSpruch
des deutscli_en Valkes auf em n selbstndizes demokratisc'h.es Staatswesen
-ist in diesem Verfassungsentwurf niedergelegt. Es wird later der iVeg
auf dem dap\ deutsche yolk aus der Ernied-rl.gung? .der Uflw
terwerfung emporstelgen kann zu einer friedfertigen, aber souveranen
Nation.
. Die Bntwicklung der internationalen Politi:k, die zwischen dem 2.
and 3. Volktkongref3_ liegt, zeigt mit grOBter Eindx?inglichke,it, da13
die nationale. Freiheit dem deutschen Vol.ke ohne se in Zutuia nicht in
den .Sch.o13 f?t. D1 egenstitze zwischen den Siegermilchten in der
Deutechlandfrage, die -vom Westeii betriebene systematische Zer'stiicke-
lung- Deutschl.ands, die hartnackigen Versuche von dirselben Seite, das
Territorium Deutschlands in ein Silannungsfeld der itternationalen
Pernik und damit in einen stn.nd.igen Unruheherd zu verwandeln, DeutSoh-?
land zu einem Anhangsel einer gegen die Sowjetuniongerichteten Po- -
litik zu macben, haben bei uns Deutschen das HochstmaB der ertraglichen
Beunruhig g hervorgerufen. Eine solche Bewertung der internationalen
Politik bringt es mit etch, dae Gewlcht und Bedeatung der stl.mme.d:es
deutschen Volkes- in der Internationale& Arena nicht gesunken?? sonderp.
im Gegenteil gestiegen ist. in dei Zeit 4iner latenten Kriegsgefahr
kann deg detuache tolk nichts sehnlicher wtinschen, ale Verstdndigung,
denn auf seine= Aticken wkt ich wie wir seit 1\6=a-ten gpSriirt ha-
ben - die Politik dea"kalten Krieges" aus. Geht der licalte Krieg tiaber
in d-en ,heiBen"aber, so 1st das deutsche.Volk das- erste Opfer der
furchtbaren Katastrophe.
Welcher verantwortungsbewuBte Deutpche kann ,angesichts soicher Late
schweigen und uutatig bleiben? Erkeant das deutsche Volk seine gegeat,r
wartige Lage, sieht es der politischen Situation klar ins Gesicht mit
dem -Wilier) zum Weiterleben und der Erkenntnis der Gefahr, in der es
schwebt, - so mut3 es aus der politischen Lethargie sich endgUltig ern
porrecken, sich aller Illusionen entledigen und jene falschen_rolitiL
ker in. die Wilste schicken, die ihm einreden, es kUnne aus der politi4
schen Spannung der /Grofaradchte Gewinn schlagen and solle diese Spannun-
g6n nach iiraften schilren. Erhebt heute das deutsche ? Volk seine Stimme,
sagt es der Welt deutlich and eindringlich: v.- r wollen nichtder
fremder Interessengegensiitze sein, wir wollen nicht Z11111 -Prellbacli:
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Deutecher. VolkskongreB
(Pressedienst)
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290 Mai 1949
Rede von Otto Grotewohl
und BUttel fremder Politik werden, fordert es die Verwirklichung-des
ihm nach dem Zusammenbruch Hitler-Deutschlands in Potsdam zugesie2her-
ten Rechtes auf einen freien demokratischen Staat und eine selbstandi-
ge Politik, so wiirde sich das polttische Gesicht Zentraleuropas und
damit der ganzen 'Welt von Grund auf Andern. Der Frieden in Europa
ware sichergestellt und damit der Frieden in der -delt. Heut, intder
Zeit der tiefsten Erniedrigung, muB dem deutschen Volke eine Chalice
gegeben werden, zu einer neuen Zukunft emporzusteigen, nicht in dem
negativen Slime, in dem vi..lhelm II. oder Hitler es taten, die die Welt
in Kriege atUrzten, sondern in dem positiven Slime, daB es sich eelbst
und die Welt vom Alpdruck des Ker1,-s befreito Es 1st em n verhangnis-
voller Irrtum zu giauben, eNir seleil in unserer Entscheidung nicht
frei. Der Weg zu staatlicher Freihe it, zur Schaffung eines souverd-
nen "nationalen ataatswesens kann dem deutschen Volke von niemaid&-
de= veriest werden und niemand Xann, das deutsche Volk hindern, diesen
Weg zu gehen. Wir rufen das gesamte deutsche Volk zum Kampfe fill- die
souverbme demokratische Re publik auf ? Wir treten mit d iesem Ve rfassunw
entwurf vor das ganze deutsche Volk, um ihm die Gestalt etner deut-
schen Republik, so wie sie uns vorschwebt, aufzuzeigennand mit al-len
Deutschen, die guten Willens sind, auf diesee Grundlage welter zu
arbeiten. zeigen durch unseren Entwurf den Alliterten und der
ganzen Welt, daB es Deutsche gibt, die jene Erwartungen
die man naeh ?dem Zusammenbruch des Hitier-Reiches an das deutsche
Volk stellt: den Weg zu etner friedlichen demokratischen Nation zu
finden.
1945, in den Tagen und Wochen des Zusammenbruches des Hitler-Reiches
sas dem deutschen Volk noch das durchtbare AusmaB der Verbrechen von'
Augen stand, wa f?r uns Deutsche kdin Hoffnvngsschimmer da, der uns
Tut Zuversicht fiir die Zukunft gab. Erst die ausdrUckliche und
wiederholte Zusicherung der Alliterten, das deutsche Volk und den
deutschen Staat nicht vernichten zu wollen, sondern den demokratischen
.lerdften in Deutsch' and die allseitige UnterstUtzung fiir den Aufbau
eines demokrattschen Staatswesens angedeihen zu lassen, gab uns eine
berechtigte Hoffnung.
Ich habe in meinem Bericht auf der 5. und 6. Sitzung des DeUtt6chen
Volksrates eingehend die Internationale und vOlkerrechtliche Lage
beutschlands analystert und unseren Anspruch auf die Wiederherstel-
lung unSerer Souverdnitat und der Eigenstaatlichkett nachgewiesen.
Die Atlantik-Charta von 1941, die Verlautbarungen der Krtm-Koiefe-
renz Anfang 1945, die Dokumente Uber die Kapitulation und die lioli-
Stituierung des Kontrollrates, alle diese internationalen Akten iiie-
derholen die These, die dann im Potsdamer Abkommen ihre pragnentOnta
AusPragung in den Satzen gefunden hat:
"Die VerbUndeten haben nicht die Absicht, das deutsche
Volk zu vernichten oder zu versklaven. Die VerbUndeten
haben die Absicht, dem deutschen Volke die HOglichkeit
zu geben, sich darauf vorzubereiten, weiterhin die Um-
gestaltung seines Lebens auf demokratischer und fried-
licher _Grundlage zu verwirklichen. Werden die eigenen
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Mr. j_sErfieralsoramemronauream.....,, ? %A:, ? I'L"?'r.'"71'149-M"MC69-7.
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Deutscher Volkskongrel3 29 . Ma i 1949
(Pressed iens-t) Rede von Otto Grotewohl 4
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Anstrengungen des deutschen Volkes unentwegt auf die
Erreichung dieses Zieles gerichtet sein, so wird das
deutbche Volk.im Laufe der Zeit unter den freien und
friedliebenden Vbajcern der Welt Platz nehmen konnen."
Also bitte, meine Herren in laris, geben Sie uns die leoglichkeit
zu'- demokratischeAL Umgestaltung unseres Leben! Wir sind dazu beret-to
Iah hatte darn welter die von den Nestmachten getriebene Pontik
der Aufspaltung Deutschlands analysiert, jener Pantile, die fiber die
Versuche .der POderalisierung DeutsehlandS zur offenen Spaltung 'und
von der Spaltung zur Annexion fUhrte. Diese Politik fand ihren Hdhe-
punkt in den Londoner Empfehlungen, in denen die Westallilerten offen
- erklarteni dass vorlaufig weder on der GrUndung eines gesamtdeut-
schen Staates, noch von dem Abzug der Besatzungsm:ci.chte die Hede sein
konne und in denen die Schaffung eines westdeutschen Separatstaates
eingeleitet wurde. So suchten die Westallilerten sich von der-i3o1itik
der .eotsdamer BeschlUsse.loszusagen. Die Spaltung wurde durch die
separate WUhrungsreform und die Schaffung des "Parlamentarischen Ra-
tes" in Bonn, dessen Zweck die Schaffung der westdeutschen Separat-
Verfassung war, vertieft.
Die Auswirkungen der Londoner Politik der WestmUchte fUr uns Deut-
sche liegen heute offen vox uns. Der in Potsdam festgelegte Weg der
Rekonstruktion Deuts,chlands auf demokratischer Grundlage wurde im
Vi.esten jaE-unterbrochen. Die Westalliierten bereiten*sich darauf vor,
sich in Westdeutschland auf unbegrenzte Zeit festzusetzen und die Oberkoheit fest in ihren H;Inden zu halten0 dede demokratische und,natio-
nale newegung westdeutschlands wurde unterdrUckt, sobald sie nur auf
das Zi dee Wiederherstellung der Souveriinitat Gesamtdeutschlands
und einer wirklichen demakratischen Umgestaltuw lossteuerte. Um
diese poli:tische und geistige Unterwerfung unter die staatliche Ober-
hoheit der Westalliierten zu erreichen bediente man sich einer hemmungs-,
losen Kriegshetze0 jean beschwor das Uespenst eines bevorstehenden
Krieges heeauf einzig zu dem Zwecke, linter Beweis zu stcllen, wie
notwendig die staatliche Oberhaheit der Westmachte in Westdeutschland
sei. Man hielt und halt diese Panik und Psychose mit alien mitteln
wach, um die BevOlkerung des klaren Bewu2tseins fiber die ,wirkli:cfie
Lage der Dinge zu berauben und sie so vor einer eigenstandigen, ihren
deutschen und nationalen enteressen entsprechenden freien politischen
Willensbildung abzulenkeno Ein Schulbeispiel absichtlich herbeige-
fUhrter politischer Verwirruhg liefert uns der Zustand in Berlin,
tinter dem yorwand des Wiederaufbaus Westdeutschlands richtet man
sich ganz hemmlungslos in Westdeutschland.ein, brachte die Industrie
In seine Hand und okkupierte das Ruhrgebiet, das wirtschaftliche
Herz-Deutschlands. Die "Marshall-Plan-Hilfe" ist nur eine schlechte
Bemantelung dieser Politik. Nie em n AlDdruck liegt sie auf Westdeutsch-
land. Sie schnUrt alle politische Aktionsfreiheit der gro2en politi-
dchen Parteien ein. Es sind nicht deutsche Interessen, die hier herr-
schen und die zu Wort kommen kOnnen, sondem Interessen ausldndischer
Imperialisten. Nichts 1st dort mehr Ubriggeblieben von der' Ydglichkeit
der Entfaltung demokratischer Krtifte, der Aufrichtung unseres Vol-
kes, der demokratischen Lrneuerung. DabeI 1st es gerade diese Politik,
die ihre verwerfliche Praxis mit Worten von der Freiheit, der fen-.
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DeutsCher Volkskongref3
(Pressedienst)
und den Menschenrechten
sc#enwUrdeAu verdecken sucht. Aber mdgen es sich gerade diese Krafte
gesagt sein lassen, da2 die Grundlage aller Freiheit, sowohl des Ein-,
zelnen als des volkes im Ganzen, das Recht und die "reiheit der sou-
veranen Staatsgestaltung ist. Nur die Preiheit aller Volker kann emn
friedliehes Zusammenleben der VOlker gewahrleist-en. UnterdrUckung und
Kolonisierung war immer nur die Quelle von awistigkeiten und Kriegen.
Wir begegnen oft dem Einwande, das deutsche. Volk sel noch nicht
reif zur Preiheit. Ich denke dabei an Immanuel Kant, der einmal sagte:
"Ich gestehe, daS ich mich in dem Ausdruck nicht
wohlfUhlen kahn: ein gewisses Volk .ist zu seiner
Freiheit nicht reif... Nach einer solchen Voraus-
setzung wird die .ereiheit nie eintreten; denn man
kann zu dieser nicht reifen, wenn man zuvor nicht
in Freiheit gesetzt worden ist."
raurig, daB vitele unserer deutschen kolitiker dies nicht
begriffen haxe 'un soil diese Politik auf lahge Zeit gefestigt-und
zur Dauereinrichtung werden. Dies und nichts anderes 1st das wirkliche
-Weser' der jUn6sten 1;:aBnahmen, die zur Regulierung des staatlichen-und
ArOlkerrechtlichen Status inDeutschland getroffen sind: Der Erla2 des
Besatzungsstatuts und der westdeutschen Verfassung. Beide sind die
Frucht der von den Westalliierten,petreibenen Politik der Einbeziehung
Westdeutpchlands in ihre interessensphare. Die Tatsache, dap das Be-
satzungsstatut und die westdeutsche Verfassung den Verlust der natio-
halen Selbstdndigkeit unserer DrUder im Nesten, besiegeln, wird mehr
land mehr auch denen dreutlich,- die bisher vor unseren wiederholten
Warnungen so hartnackig Augen und uhren verschlossen haben.
Es ist im hochsten Mace symptomatisch, daB keiner der Folitiker
Westdeutsehlands, die mehr oder weniger freiwillig in die Bahnen die-
ser Politik gedrdngt warden, es heute wagt, sich mit ihr reetlos
zu identifizieren oder sie als den Ausdruck des nationalen Nillens
4inzustellen. Es ist uns darum auch verstandlieh, daS man es nicht
wagt,die westdeutsche Verfassung einer Volksabstimmung zu unterbrei-
ten. Dieses Dokument tragt sein wahres Wesen alezu deutlich auf der
Stirno Es ist eine dem yoike oktroyierte Satzung. enElum geboren, raft
sie allseitigen Widerspruch hervor, well sie mit den Interessen unse-
rep Volkes nichts gemein hat.
29. mai 1949
Rode von Otto Grotewohl - 5
Dieser Widerspruch gegen Besatzungsstatut und Separat-Verfassung
-aber wird sich verstarken und damtt verscherft sich auch der Kampf
des deutschen volkes gegen den in Westdeutschland geschaffenen Status,
Dieser E.ampt wird nicht eher zur Ruhe kommen, bis unser yolk dieses
fremde Joch von sich geworfen und aus sicn eelbst heraus.eih freiee
demokratisches Staatswesen geschaffen hat, das ihm das Hausrecht in
seinem eigenen Hause gewahrt. Ein doppeltes Joch ist es, das hier auf
den Nacken unserer BrUder im 4esten gelegt wird: erstens das Joch
einer zeitlich unbegrenzten Besatzung, das mit dem Besatzungsstatut
seine Sanktion findet, und zweitens der durch die Separat-Verfaasung
gebildete riesige bUrokratische Staatsapparat, der nicht der demokra-
tischen Vi\illensbildung durch unser yolk client, der vielmehr gerade um
gekehirt im interesse der Besatzung und des von ihr geschaffenen 3ta-
tus diese Willensbildung ailseitig verhindern soli.
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..Petucher Voikskongrea 29 Mi 949 -
(PrO8sedfjenst ) iiede von Utto Grotewohl 6 -
Was besagt das Besatzungsstatat? E"6 besagt, daB die wichtigsten
*staatlichen Hoheitsrechte alit' die Besatzangsmaehte Ubergehen. Die
Deatschen als die der Gewalt Unterworfenen kOnnen weder Uber die
daBere noch Uber die innere Politik oder Uber die Wirtschaftspolitik
bestimmen. Diese Hoheitsrechte liegen entweder direkt in den Minden --
derBesatzungsmachte oder unter ihrer Kontrolle.'Die auswartigen
gelegenhetten Deutschlands und die in seinem ,Nemen.getroffenen intr-.nationlen ebkommen" liegen in den 1-Weiden der Besatzpngsmtichte. Sie
also kOnnen, so paradox dies auch klingt, im Namen ds deutschen TOI-
kes internationale Vertrdge abschlieBen, konnen also das deutsche
Volk, das nur noch rechtlosen Kolonialsklaven gleichkommt, in Kriegs-
bUndniseen hineinzwangen und es vor den wagen fremder Interessen
spannen. 1st es nicht schlimmste Spiegelfechterei, dann Uberhaupt
noch von einer deutschen AuBenpolitik zu sprechen, wie dips das 13e-7
satzungsstatut tut?-Nicht anders verhdlt es sich mit der deutschen
Wirtsohaft. Sie wird en bloc den Alliierten unterstellt. So sind im
Punkt 2b des Besatzungsstatats den Besatzungsbehorden aasdrUcklich
die-Machtbefugnisse vorbehalten bei:
"Kontrollen in Bezag auf die iluhr, die Aestitationen
and eeparationen and die b:ntfleohtung, fUr die Ver-
hinderung der Zusammenballang wirtschaftlicher Macht-
mittel and der diskriminierenden Behandlang aur dem
Gebiet des Handels, in,Bezag auf Aaslandsin:teressen in
Deutschland and AnsprUche gegeneDeutschland."
Diese Bestimmang 1st in der Tat unannehmbar in ihren Konsequenzen.
Sie liefert Wirtschaft, Induetrie und Handel den Besatzangsbehbrden
zur v?llig freien- verfUgung aus. "Kontrolle Uber die ieehr", das heiBt
docn nicht mehr and nicht wer4ger als: die westlichen Alliierten
wollen darUber bestimmen, wie'weit die Naturschatze dieses Beckens,
das Herzblut anserer 7iirtschaft, Kohle and Stahl uns Uberhaupt zue
flieBen sollen. Sie haben damit in der Tat die Hand auf die Gargel
unserer dirtschaft gelegt. Die Bestimmung der "itestitationen end
parationen" behalten sie ihrem LLErmessen vor. Die rUr ansere eirtschaft
so bedeutsame erage soil also nicht darch Vereinbarung mit deutschen
Stellen, nicht-auf Grand von vei-tragen, sondern durch einseitiges
Diktat reguliert werden. eie Kontrolle fiber "aaslandische interessen
in Deatschland" soil weiterhin nicht in deutschen Hnden9 sondern in '
denen der BesatzungsmUchte 1tegen, das het3t9 keine deutsche eeelle, ,
weder die deutsche wirfschaftsverwaleung, noon deutsche Benken, noeh
deutsche Gerichte Sollen irgendwelche Machtbefugnisse fiber die aase-
ldndischen Kapitalien in Deutschland haben0 pas seellt Deutschland
wahrscheinlich als b;rsatz fUr den erlittenen Verlust aur das Niveau
Kuomintang-Uhinas, wo auch alle auslandischen Kapitalien exterritorial_
waren. Wenn diese Herren dann noch die "Dekartellisierung" and die
"Ilekonzentrierung" sich selbst im Beeatzangsstatut Ubertragen, sowie
die ?eestlegang der Hanelsb6gUnstigangenc die Oberwachung des AuBen-
handels, des Devisenvereehrs u,a.m. - so 1st das in der Tat eine vOr-
treffliche Handhabe, die deatsche Konkurrenz voiiig und endgUltig ause
zaschalten.. Hinzu tritt, da2 die Besatzangsbendrde sich die hontrolle
Uber die Verfassung vorbenalten hat and jede Verfassungshinderung sowie
jedea andere Gesetz nur nach ihrer Zustimmung in leraft tritt.
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Deutscher VolkskongreB
(Pressedienst)
29. Wad_ 1949
Rede von Otto Grotewphl - 7 -
Aber damit nicht genug! Die BesatzungbbehOrden kOnhen darfiber hin-
aus alle von ihnen ftir erforderlich gehaltenen .maSnahmen ergreifen.
Das e*ige Gerede der BefUrworter des Besatzungsstatuts, in ihm ddien die
Machtgrenzen der Besatzungsmdchte festgelegt, erwgdst sich als leeres
Gerede. Das 3esatzungsstatut kennt keine Machtgrenzen, es 1st die
Usurpation der unbegrenzten Macht. Die BesatzungsbehOrden behalten
sich ausdrUcklich das Recht jeder Einmischung in deutsche Angelegen-
,
heiten% vor, die sie fUr erforderlich halten. Sie kOnnen, wie es wtirt,..-
lich heiBt, "entsprechend den Weisungen ihrer Regierung" die AusUbung
der vollen Gewalt ganz oder teilweise Ubernehmen. Klingt es angesichts
solcher Machtkompetenzen nicht wie Hahn, wenn es im ersten Eunkt des
Besatzungsstatuts heiBt, daB die Westalliterten dem deutschen Volk
das groStmOglich:0'; ly-la3 an Selbstregierung einzurdumen trachten, daB
die deutschen urgane "ledlalich den Beschrankaaa_qa" des Besatzungssta-
tuts unterworfen seien77Ean TJEFIET'TE der Tat mel:kwUrdige Vorstellun-
gen von der WUrde und Souverdnitat einer Nation zu haben. Gewi2, wir
sind em n besiegtes und gestraftes volk0 Wir wissen es und begreifen
es, wir sind auch daraus SchluSolgerungen zu ziehen: Wir
halten es aber vier jahre nach Beendigung des Krieges nicht fUr unbe-
Ocheiden, wenn wir alien Alliierten zurufen: Kontrolliert uns, lalet
dns aber das Becht Uber unsere eigenen Angelegenheiten selbSt zu ent-
scheiden!
Wir sprechen im Zusammenhang mit der verfassung von dem Besatzungs-
statut, weil die deutschen Staatsorgane, die man unter der Herrschaft
des Besatzungsstatuts,s, in dem Grundgesetz des Bonner "Parlamen-
? 4 =.
tar it n Rates", jener jUngst geschaffenen westlichen Separat-Verfas-
sung, keine Organe der deutschen 5elbstregierung sind. Hier ist keine
orlginar aus dem deutachen Volke erwachsene Staatsgewalt konstituiert.
Es werden diesem Bonner Grundgesetz alle veralteten und
abgelebten deutschen Staats- und verfassungsinst4.tutionen von den aus-
liMaischen interessenten hervorgeholt, um die deutsche Einigung und
das .rierden einer deutschen Staatsgewalt zu erdrosselb. Denn an wei2,
da2 die deutsche Einigung und die Verwirklichung einer deutsehen Yolks.
errschaft mit dem System des Besatzungstatuts unvereinbar Sie
kOnnen weder em n einiges Deutschland ertragen; noch em' Deutschland,
in dem das deutsche Volk selbst Herr in seinem Hause iste Sie brauchen
einen zersplitterten, schwachen deutschOn Staat, em n deutsche s Volk,
4a8 sich untertanig tinter ihr Joch beugt. So wird auch in diesem Bon-
ner "Grundgesetz" die deutsche Staatsgewalt v?lligausgehdhlt und days
deutsche Volk in einer Weise aus der mitbwstimmung der Staatsgewalt
duSgeschlossen, wie es in der, Tat vermessener nicht erklUgelt werden
konnte.
.Das Bonner "Grundgesetz" laBt den lodfeind der deutschen Einheit,
das ii.rebsschaden der deutschen Nation, die fdderative Zerpslitterung
der Staatsg-ewait, wieder aufleben. Es setzt der einheitlichen Sillens-
bildung die starksten Hemmnisse entgegen. iJer -rundaatz, daS das Recht
des .Gesamtstaates das Becht des einielnen Landes breche, wird aufge-
hoben. Jedem iL4ande 1st der Weg zu selbstandiger Politik eroffnet, wo-
durch der Boden fUr unentwegte Konflikte zwischen Bund und Landern und
den einzelnen Ltindern bereitet 1st. Dazu unterhalten die Regierungen
der Lander eigenstdndige Vertretungen beim Bund, den "Bundesrat", der
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' (Press'edienst)
Rede von Otto Grotewohl - 8
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bel Regierung and Gesetzgebung meBgebend mitzuwirken hat, also die
einheitliche Gewalt des Staates entscheidend schwtj,cht. Das Bonner
-"Grundgesetz" restauriert den Todfeind der deutschen Demokratie, den
'alten bUrokratischen Staatsapparat and legt wiederum alle eacht in
(seine Hand. Die Stellung der Volksvertretung, des "Bundestages", dem
e'inzigen Organ, in dem die Stimme des deutschen VolkesLdurch die .
kewithiten Abgeordneten zur Geltung kommen kann, let welt seheechter,
als die der Volksvertretung der Weimarer RePublik, des Reichstages,
Aand gleicht dem groBen Scheinparlament, das wir in uAserer Verfassunge.e
geschichte hatten9 dem Reichstag des deutschen Kaiserreiches. Eben-
powenig wie im deutschen e_aiserreich, ist nach dem Bonner VGrandge-
etz? die Volksvertretung in der Lage, die Politik der Regierung zu
be4timmeh, eihen irgendwie erheblichen EinfluB auf die staatliche
-Exekative, die Rechtsprechung oder die Wirtschaftsgestaltung auszu-
ilben.
Auch In der Gesetzgebung, die nach dem Text der Verfassung der
Volksvertretung vorbehalten let, let 61e allseltig beschrankt. Be-.
die Volksvertretung em n Gesetz, so kann das 1st die erste
Bremse - der "Bundesrat", did Vertretung der Regierungen der LKnder,
fordern9 daB dies-es ci(esetz vor einem gemischten Aueschu2 noch einmal
behandelt wird. Besteht die Volksvertretung gleichwohl auf dem Ge-
setz, so kann - das 1st die zweite Bremse - der "Bundesrat" forMellen
Einspruch einlegen. Die Volkevertretung iet-dann gezwungen, mit qua-
lifizierter Mehrheit noch einmal zu beschlieBen, in gewissen Fallen,
sogar mit 2/3 mehrheit seiner Ilitglieder, was faktisch eine normale
Gesetzgebung unmoglich macht. Aber nicht genug damit Bind auBerdem
noch fustiZielle Fallstricke gegen die Gesetzgebungsgewalt der Volks-
vertretung gezogen, Jedem Gesetz der voiksvertretung kann von jedem
Richter die Anerkennung versagt werden, es kann vor den Bundesge-
richtshof gebracht and dort annulliert werdeho Bedenkt man, da2 em
Gesetz mach solchem Leidensweg auch noch- den Instanzen der Besat-
,tungsmacht _zur Genehmigung vorgelegt werden muB, so mag man ermessen,
wie ?hier um die Demokratie und.um die WillensKuBerung des Volkes
bestellt 1st. Das gejeze Gesetzgebungsverfabren, eines der KernstUcke
des Bonner "Grundgesetzes", hat selbstverstandlich keinen anderen
Sinn als den, die bUrokratische_Staatsmaschine, ddren Zusammensetzung
wesentlich darch die Besatzungsmacht selbst bestimmt let, allseitig
festigen and zu sichern, um so den besteheAden Zustand vor alien,
BeeintrUchtigungen durch das Volk sicherzustellen.
Linen solchen wetterfesten Staatsapparat aber gebraucht man als
aarantie fUr die wirtschaftllchen Lachtposltionene welche die dus-
landischen Menopolkapitalisten sich in Deutschland bereits errungen
haben and die auszuweiten and zu festigen sie sich bemUhen. Und hler
trit nun die schlimmste Seite,dieses "Grundgesetzes" hervors der in
thm enthaltene_ Verzicht auf alle wirtschaftlichen ReferMen, die Er-
echwerung oder vOliige Hintertreibung aller SozialisierungsmOglich-
, teiten.- Die Wirtschaft wird f?r unantastbar erklart. Das bedeutet
? die V011ige Atielieferung unserer Wirtschaft and der Arbeitskraft je-
aes Einzelnen An die mUchte, die sie in Deutschland jetzt in .
bchlag genommen haben and die sich meth:* und mehr durch Kapitalexport
bei uns einnisten. Die mit Uppigen Phrasen formulierten "Grundgesetze"
enden genaa da, wo die Herrschaftsdomane der auslandischen interes-
Sen beginnt, in der Oirtschaft. Es bedarf keine.gr besonderen Staats7
Weisheit, um zu wissen, daB die Regulierung der wirtsChaftlichen macht.
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Deutscher VolkskongreB 29. Mai 1949
Rede von Otto Grotewohl
(Pressedienst)
verhdltnisse durch die Staatsgewalt heute ihre bedeutdamste runktion
idt, und da2 em n Staat, der nicht die uberherrschaft Uber die wirt-
schaftlichen Resaureen besitzt, em n Marionettenstaat ist. in dem
Bonner "Grundgesetz" aber stud dem Staat keinerlei Verpflichtungen
hinsichtlich destEchutzes der BUrger vor wirtschaftlicher WillkUr auf-
erlegt. Hier geht das Bonner "Grundgesetz" welt hinter die Weimarer
Verfassung zurlick. Die Weimarer Verfassung kannte neben den auf die
kerson und ihre Freiheit sich beziehenden Rechtsbestimmungen auch sol-
che, die Bich gelgen- die wirtschaftliche machtstellung richteten und
die Einzelpersonen oder das Volk als Ganzes vor deren AuswUchsen
schUtzten. Dieser ganze Jkomplex fehlt Uberhaupt invBonner "Grundge-
setz". Die mbglichkeit der Nationalisierung 1st zwar dem 'Nortleiut
teach gegeben, sie 1st aber faktisch dadurch illusorisc4 gemacht, daB
der Staat die Bedingungen der Vationalisierung nicht festzulegen be-
fugt 1st. Eine solche Regelung kann angesichts der bestehenden wirt
schaftliohe'n machtverhdltnisse im Westen unseres Vaterlandes nicht
Sander nehmen. Kommt es doch den ausldndischen monopolisten vor allem
darauf an, ihre Herrschaft fiber die deutsche Wirtschaft vor dem Zu-
griff des deutschen Volkes sicherzustellen.
So liefert die Bonner Verfassung die deutsche' Wirtschaft und mit
ihr die deutSchen Wenschetn Schritt um Schritt an die auslandischen
Mdchte aus. Sre kapituliert vor einer rUcksichtslosen Nirtschafts--
intervention ausldndischer Machte. Gegen diese schmahliche Kapitula-
tion wehren sich alle guten deutschenIWtrioten, well sie ihrett Kin-
dern einmal offen In die Augen blicken mOchten, ohne darin die stumiLe
und anklagende Frage zu leseh:"Warum habt Ihr uns zu Kolonialsklaven
geriacht?"
Und nun lddt man tins gar ein9 ums dem Bonner "Grundgesdtz" anau-.
schlieBen. Man schlagt den ?Idndern der Ostzone dieses Grundgesetz ale
Basis fUr einen gesamtdeutschen Staat vox.: 'Nir ktinnen solchen Vor-
schlag nicht ernst nehmen. Er stellt nichts als einen Versuch dar,
die deutsche Bevtakerung in die Irre zu fUhren. Dieses 'Grundgesetz".
konstituiert Uberhaupt keine deutsche Staatsgewalt, es schweiSit die
Deutschen nicht zu einer einigen Nation *zusammen, sonde= zpereiBt sie
in einzeine ohnmachtige Telles
Die Entstehung der Bonner Verfassung und des westdeutschen Bundes-
staates schldgt alien Grundsatzen souverdner Staatsgestaltung ins Ge-
sicht. Die Arbeit des "Parlamentarischen Rates" wird-n die deutsche
Geschichte als eines ihrer traurigsten Kapitel eingehen. Das Beispiii
Bonn mag far unsere junge Generation eine Warnung und Lehre dafUr sein,
in welchen Abgrund eine Politik fiihrt, die nicht die engste Verbindung
mit unserem Volke sucht, die nicht die wahren Inteeressen des Volkes:
richtig zu sehen und zu verteidigen weiB. Ein Schritt in der falschen
Richtang zieht notwendig den nachstentach sichvund es geht dann
schlieBlich unaufhaltsam in den Abgrund. Man liefert sich dabei auf
Gedeih und Verderb fremden knteressen aus. Es gereicht den wenigen
tretern der tromtunistischen Fraktion im Bonner "Parlamentarischen RAt"
zur hochsten Ehre, und es gird ihr Verdienst vor der deutschen aeschidl
te sein, auf verlorenem Posten immer wieder die warnende Stimme gegen
den ionalen Verfall erhoben zu haben, oder wie }Tax Reimann, daffir
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Deutscher Vo1kskongTe2
29. Val 1949
(Pre6sedienst) Rede von Otto Grotewohl 10 -
ins Gefangnis gegangen seine
Das Argernis, das ale damit erregt haben, 1st nur allzu verstandlich
Heute, wo dieser Rat seine Arbeit beendet hat, steht das von ihm ge-
schaffene "Grundgesetz" der "Bundesrepublik Deutschlandt" als em n er-
blirmlicher Torso da. Keiner wagt es, sich offen und frei zu diesem -
maohwerk zu"bekennen. Der eine will es dem anderen In die Schuhe
schieben; jeder sucht, politischen Gewlnn, indem er von ihm abrlickto
?fir haben die sehr betrUblicte, zwischen Komik und Tragik stehende
Situation, da2 man offen in der Presse und vor dem Volke gegen die
Virfassung spricht, heimlich aber f?r ihre Durchsetzung Sorge tragt.
Das 1st nichts anderes als die Konsequenz einer Politik der Unter-
werfung unter fremde Interessen.*
Unsere Zeit stelit vor jeden Politiker die unerbittliche Frage:
Handelst Du fiir oder gegen die Interessen DeJnes Volkes und Deiner
Nation, kannst Du Dein politisches Tun vor dem ganzeni Volke verant-
worten ode-r nicht. Die Politik von Bonn hat zu einer Lage gefiihrt,
die sich vor dem Volke nicht mehr verantworten laBt. Deshalb lehnt man
die Volksabstimmung -caber die Bonner Verfassung ab. Aber wir rufen den
Politikern von,Bonn und jedem nationalen Deutschen, der die WidersprUda-
lichkeit dieser PoJ,itik der Kolonisierung Deutschlands mit den Interes
sen unseres Volkes erkennt, zu: Es gIbt em n Mittel, sich-as der ge-
schatfenen Lege zu ziehen: man sage sich von der Politik der bedin-
gungslosen Unterwerfung los, man appelliere an das gesamte deutsche
Volk, zur nationalen Se1bst4111fe zu schreiten und die breiteste na-
tionale Front zu bilden zurRettung der deutschen Nation, zum Kampf
f?r einen souveranen deutschen Staatl Es let nicht zu spat; fiir den
Freiheitskampf des, Volkes let es niemals zu spat! Wir kOnnen uns als
Deutsche nicht noch einmal mit den 'Norten "Wir haben es nicht gewuBt"
von unserer Verantwortung loskaufen. Unsere Hand zur. Vereinigung mit
alien Deutschen, die guten Willens sind, den nackten Bestand der,Na-
tion zu retten, 1st darum immer ausgestreckt. Wir kennen keine Be-
dingung, wir wollen nur das Eine: Bekenntnis zu einem einheitlichen,
friedlichen Deutschland, Bekenntnis zu unserem Volke, zu unserer Na-
tion als der Basis all -unseres politischen handelns!
Das 1st der Boden, auf dem die VolkskongreBbewegung in einer Nationalen Front fUr Einheit und Prieden lhre Tatigkeit entfaltet, Sie,er7-
reicht ihr Ziel mit der Sammlung aller Deutschen in einem souveranen
Staat. Dieser Staat wird - wie ich.schon sagte - tIns nicht geschenkt.
Wir mUssen ihn erkampfen gegen Gegner von nicht geringem Gewicht, Wir
mlissen ik unseer?Valke den Mien zur nationalen Einheit als eine
heilige F..camme en-6fach,en, eine gemeinsame klattform schaffen, auf der
sich alle finden. Es gilt, das Ziel unseres Kampfes, die konkrete Ge-
stalt des kommenden Deutschlandsaufzuzeigen, ftir das wir unseren
Kampf entfalten. Es gilt, das Bild van einem friedlichen demokratischei
Deutschland, das zugleich em n lebensfahiges und starkes Ganzes ist, ?
in.das BewuBtsein unseres Volkes zu tragen; einem Deutschland, fUr
das es sich lohnt, zu leben und zu kampfen. Diese Adfgabe soil der -
von uns erarbeitete verfassungsentwurf fUr ganz Deutschland erfUllen.
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3 - Deutsclier IrolkskongreB 29. Mai 1949
(Pressedlenst) Rede von Otto Grotewohl 11 -
Der Deutsche Volksrat hat sich mit dem von ihm beschlOssenen
"Entwurf der Yerfassung der- Deutschen Demokratischen Republik" an .
alle Deutsctten gewandt and hier den' Plan der Reorganisation des deut-
schen Staates ant demokratisch.er Grundlage unteibreitet. Hier zeigen
wir tinserem deutschen,Volke9 den Alliierten un.d dartibers hinau.s- der
ganzen Welt, ant welcher Grundlage wiz. Deutsche das zuktinftige
.Deutschlawl aufzubauen trachten? zu dessen trrichtung uns .in den
-Pakten von cialta and Potsdam der 'leg eroffnet worden 1st. 41r sind
bei.m. dem Ausbau dieser Verfassung keinen fremden Vorbiidern gefolgt...
*Fitz tins gab es nur einen Lehrmeister: tinsere eigene Geschichte, die
._ so -retch. a Erfahrungen, so reich an, Fehlachlagen und EnttausChungen.
ist. Alles was gut and gesund in-'2.nserer Vergangenheit war,- soli le
ben and eine bessere Zuku.nft befitigeln.
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c-Fr
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Deutscher Wolkskongress
(Pressedienst)
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29. Mai 1949
Rede von Oto Grotewohl - 12 -
Wir halten an der Gliederung .Deutschlands in Lander fest; wir
halten an den alten Farben von 1848 and der Weimarer Republik
Sehwarz-Rot-Gold fest; wir halten an der traditionellen Hauptstadt
Berlin fest; wir halten an der einheitlichen Staatsangehorigkeit
fest. Das besagen die Anfangsartikel der Verfassung, Wir haben uns
bemaht, die Lehren aus der deutachen Geschichte zu ziehen, insbeson-
dere die Lehre aus den fehlgeschlagenen demokratischen Revolutionen
von-1848 und 1918, die nicht zur Bildung eines wahrhaf ten National-
staates auf demokratischer Grundlage fuhrten. Das traditionelle
deutsche Staatswesen hat nicht den Boden des Obrigkeitsstaates ver-
lassen, und das wurde unserem Volke und der Nation zlum Verhangnis.
Unser Volk' blieb aus der Staatsmacht ausgeschloss 7: . ,. _lee,
ohne das Hineinwachsen des Volkes .in den Staat kann sich seine starke
friedliche, in sich gesdttigte und lebensfrohe Nation bilden. So gait
unser Bem'dhen vor allem dem Bestreben, die Form der Uberwindung des
degeneinander von Staat und V.olk, dasAiernproblem der deutschen
Staatsgestaltung, zu Linden.
Der alte Obrigkeitsstaat musste durch einen wahrhaft demokratischen
Staat abgelost werden; die Volksfremdheit des Staates musste ebenso
Uberwunden werden, wie die Staatsfremdheit des Volkess Die Herstel-
'lung der deutschen Einheit 1st nur auf dem Boden der Demokratie
lich, so lautete die erste Feststellung, die wir trz-sfens in deutscher
BatiOnalstaat, der nicht fest im Volke verankert 1st, der wia das
Reich Wi1ls41m II. und Hitlers auf einem diktatorischen, fiber dem Volk
her.ssch'enden bUrokratischen StaatsapparTt au.fbaut, s teht auf ttinernen
FUssen und aimmt otwend1g die Aichtung gegen das Volk.
,
-Der alte Obrigkejtaat hat das Volk in die &atastrophe zweier
eAreltkriege gerUhrt0 bur die feste Verankerung der Staatsgewalt im
Volke 1stldiq'3-ewahr fUr die Starke und Lebensfahigkeit der Nations
So ergab sic-la fUr was die Notwendigkeit der E.onstituierung und 01.48
allseitig-,n Ausbaues des Grundsatzes der VolkssouverdnItat. Dieser
ankert, der lautet: -
Grundsatz?ist als allgemeines -srinzip im Astikel 3 der Verfassung ver-
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
Jeder JisUrger hut das Recht und die _eflicht zur isitgestaltung
in seiner ..iemeinde, seinem seinem Lands und in der
Deutschen Demokratischen Republik.
Das Mitbestimmungsrecht der Burger wird wahrgenommen durch:
Teilnahma an Volksbegelaren und volksentscheiden;
Austpung des aktiven und passiven Wahlrechtesr-
Ubernahme Ofientlicher Amter in Verwaltung?and Rechts-sprechung.
(Leder BUrger hat das Hecht, edngaben an die Volksvertretung zu
richten.
Die Staatsgewalt muss dem Wohl des Volke, der Preiheit, dem
Frieden und dem demokratischen Fortschritt dienen. Die im
ofJ.eatlichen Dienet Tatigen sind siener der Gesamtheit und nicht
wachts"
einer Parte'. Ihre Tdtigkeit wird von der Volksvertretung liberweeew
Entsprechend dem hiar ' stgelegten 2rinzip der Volkss4Uverdnitat
baut sich auch die Staatsgewalt der Republik auf Jer &ntwurf be-
kennt sich eindeutig und klar cur parlamentarischen Republik d be-
mUht sich, diesam Grundsatz gemass die entscheidende Rolle des Parla.
-wentes, das die Reprdsentation des deutschen Volke s selbst 1st, kon-
sequent auszubauen.
+41 Die Saf1h23e von Staat und Volk surde nicht g4landen
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Deutscher Volksongress 29. Lai 1949
(Pressedienst) Rede von Otto 4rotewoh1
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? Die Volksvertretung, "Volkskammer" genannt, ists"liochstes brgan
der Republik". Sie ist em n wahrhaftes Volksparlament, das unmittelbar
aus dem Volke hervorgent und vom Volke aufgelost werden kann, wenn es
das Vertrauen des volkes nicht mehr besitzt. Die Volkskammer 'besteht
aus den Abgeordneten des deutschen Arolkes, die "In allgemeiner,
gleicher, unmit4elbarer und geheimer Oahl nach uen irundsiitzen des
Verhdltniswahlrechtes auf die Dauer von vier Jahredsgewahlt werden.-
Das Recht, Abgeordnete aufzustellen, haben alle Vereinigungen, die
"nach ihrer Satzung die demokratische Gestaltung des staatlichen und
gesellschaftlichen Lebens der gesamten Republik erstreben und deren
Organisation d as ganze Staatsgebiat umfasst". Damit haben aiso nicht
nur die politischen Parteien, sondern auch die grossen Maseenorganice
sationen, wie Gewerkschaften, Frauen- und Jugendverbiede das Hecht,
ihre Vertretungen fUr die Volkskammer aufzustellen. Wahlberechtigt
ist jeder Deuteohe, der das 18. Lebensjahr vollendet hat. Die politische Betatigung und iiieinungs141dung ist frei, aber nicht so freig
wie in der Weimarer Republik, die den wUtendsten Feinden der Demokra-
tie, dem politisohen Vererechertum, die Freiheit seiner r;ntwicklung
gewahrte.-HemmungslOigkeit ist keine Freiheit. Wiv brauchen keir.e
bloss formale, wir brguchen eine reale DemokratieYdie sic4 g-e;oren
ihre Feinde zu verteidigen versteht und dazu auch Uber die nOtieA
Mit4e1 dd Organe verfUgt. .0 eine Demokratie,
Es gibt bestimmte Prinzipien, die zum notwendigen Bestand aller
modernen Kultur gehdren, und das Bedeutsamste dieser Prinzipienslat
die Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz tragt, die Respek-
tierung fremdei"VOlker und Kulturen. Eine Staatsgewalt, die die Vr-
.1etzung dieser Prinzipien.zuliesse, wUrde sich selbst der Verbreciien
gegen die Menschlichkeit und gegen die Kultur schuldig machen.
dUrfen wir faschistische Tendenzen im politischen Leben unserer kimf-
tigen Republik nicht dulden. Parteien oder Gruppierungen, die aich
ant" der Grundlage solcher Ideologien bi1det4 sind nicht nur mit poli? tischen Mitteln zu beledmpfen, -sondern sie sind durch die Strafgewalt -
des Staates zu unterdrUcken. Darum bestimmt der Entwurf im Anscliiuss
an den Grundsatz, der die Gleichheit aller BUrger vor dem Gesete fest-
legt, im Artikel 6, Absatz 2 "Boykothetze gegen demokratische
iin
richtungen .und Organistionen, Mordhetze gegen demokratische Politi-
.
ker, Bekundung von' Glaubens-, Rassen-, Volkerhasst militaristischer
Propaganda, sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sioh
gegen die eleicheerechtigang richten, sind Verbrechen im Sinne des
Strafgesetzbuches".
Ich sagte bereits: Die Demokratie muss eine kampferische sein.
Feinde der Demokntie, welche die EletheittmiBbrauchen, um die Demokratie
zu diskreditieren und ihre diktatorischen Gellaste durchzusetzen ver
suchen, haben in der Demokratie keinen Platz. Die Volkskammer, diese
Volkevertretung im wahrsten Sinne des Wortes, die berufene ReprUsen-
tation der.groBen demokratischen Parteien und Massenorganisationen,-
ist nun nicht, wieder "Bundestag" des Bonner "Grundesetzes" zur Macht
losigkeit verdammt. Sic steht auch nicht wie der "Reichstag" der Wei
marer Republik unter der Diktaturgewalt eines .?,icheerasidenten, der
die Volksvertretung jederzeit auseinanderjagen und auf Grund des Ar-
tikels48 selbstherrlich Gesetze erlaseen konnte. Die Volkskammer un
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Dewtsaher Volkskongress 29. Mai 1949
(Pressedienst) Rede von Otto Grotewohl
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? seres 3ntwurfes ist vielmehr der hochste Machttrager im Staate; der
souverUne Gestalter des staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaft-
lichen Lebens, durch nichts beschrankt als durch die Verfassung, die;
diO.Rechte des Volkes und jedes BUrgers festlegt.
Wir bringen mit diesem Grundsatz der Parlamentsherrschaft das demo-
kratische Prinzip zum Durchbruch, (lessen Verwirklichung weder 1848 .
noch 1918/19 in der Weimarer Verfassung gelang. Diedes Scheitern. des,
Parlamentes bedeutelein der Vergangenheit das Versagen der Demakratie;
bierauf geht letztlieh die verhUngnisvolle Diskrepanz von Staat und -
Volk zuriipk, die der Ki,ebsschaden unserer politischen Entwicklung war9
"Mee es. gelungen, 1948 das "Frankfurter Parlament" zum deutschen
ran zu erklaren, die Einheit DeutsChlands auf demokr4tischer Grundlage
wdre.sichergestellt gewesen, der machtvolle deutsche Nationalstaat,
von dem die beaten KdmUfer von 1848 traumten, ware entstanden. Ware
es ferner bet der Schaffung der Weimarer Verfassung gelungenp das
Schwers:ewicht der Staatsgewalt auf die Volksvertretung zu legen, statt
auf den Reichsprdsidenten, es hdtte keine Diktatur des Reichsprasiden-
ten, keihftl'ilvtikel 48 gegeben. Der verhangnisvolle Hindenburg, Papen
oder Hitler wthc.tga nicht mdglich gewesen und eine Handyoll Richter hatte
nicht klare VerfassungsbrUche in Verfassungsrechte verwandeln konnen,
is gibt nur einen Garanten gegen die volksfeindliche Politik der
Staatsmacht, und dieser Garant 1st das Volk selbst. sgibt nur emn
MIt-uel, die Staatsgewalt in den Dienst des Voj.kes zu stellen, alle
Staatsgewalt in die Hande des Volkea zu geben. Das erstreben wir mit
de-r-S-Xellung, die in unserem Entwurf dem Parlament zugewiesen wird.
Darum 1st in unserem'Entwuff die staatliche Exekutivgewalt und aa it
ler gesamte Staatsapparat4 der Volksvertretung nicht tibergeordnet,.
sondern untergeordnet. Audi die Regie7tung let nichts ala em n Vertrauen
gremium der Volkskammer selbst und wird aus den Vertrauensleuten der-in
der Volkskamther vertretenen Parteien und Organisationen zusammenge-
setztl, und 'zwar us alien. Es 1st eine der bedeutendsten Bestimmungen
des Verfassungsentwurfes, dass jede Fraktion, die die Starke von 40
erreicht het, durch die Verfassung zur Mitarbeit wider degierang
verpfliehtet -wird, Es darf keine verantwortungslose Opposition im
Pelrlament der neuen deutsehen Demokratie geben, die ihre ganze Punkti-
on nur darin sieht, Obstraktion zu treiben. AUS dieser Taktik haben
bekanntlich die Nazis- ihren gezogen. Es darf sich keine Partei
oder- Organisation, Wenn ale ihre Listen zur Parlamentswahl einreicht;
vor der Mitarbeit und Mltverantwortung in der Regierung drUcken. Wer
in das_Parlament einzieht, der muss mitarbeiten, denn die Volksver- -
tretung, die wir schaflen mUssen, die selbst alle wichtigen gesetzge- .
benden, administrativen und auch wirtschaftlichen Entecheidungen trifft
und deren AusfUhrung Uberwao#t, 1st em n arbeitendes Gremium.
it der Macht wdchst die Verpflichtung land mit der Verpflichtung -
die Arbeitslast. Darum tragt die Volkskammer einen ganz anderen Charak-
ter, als der Reichstag der Weimarer Verfassung, der nicht in dem b est:en
Rufe stand, well in ihm za viel geredet wurde* wenn auch mit gerin6em
Nutzeffekt.?13iese Tatsache hat den Parlamentarismus bei uns in
MiB
kredIt gebracht. Man redete vom Parlament als der- "Schwatzbade", aber
es war nicht nur die Schlechtheit der institution des Parlamentes9 das
den Reichstag der Weimarer Verfassung in solche Uble Laze brachtes ?
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Delleher Volkskpngress 29. Aai 1949
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sondern seine Machtlosigkeit im System dieser Verfassung. Das Parla-_
meAt der Weimarer Verfassung konnte ge6en die allmachtige Staats-
bUrokree lett dem Reichsprasidenten an der Spitze, der den Reichstag
jederzeit auflbsen konnte, nichts ausrichten. Es konnte gegen die
Justiz nichts ausrichten, die seinen Gesetzen den Gehorsam verweiger"
te und deren RdchtssPrechung oft em n Hohn auf die Demokratie war. Das
Parlament der Weimarer Republik konnte schliesslich.auch gegen die
heri-schenden Wirtschaftsmachte nichts ausrichten, well der Reichs-
prasident sich schUtzend vor sie stellte?;
Die Volkskammer des Entwurfes hingegen ist dieser Dreieinigkeit
ataatsapparett, Justiz and Wirtschaft - nichteuntergeordnet, sondern
Ubergeordnet,-denn sie ist der Trager der hbchsten Machte Die Volks-
kammer erhennt die Regierung, bestimmt die Richtlinien ihrer Politik
und kontrolliert die Hegierung in ihrer gesamten stautlichen Tatig-
keit sie trdgt also flit die gesamte Regierungstatigkeit die Verant-
wottung vor dem Volkee Die Volkskammer ernennt weiterhin die Richter _
des hOchsten :,lerichts and dpn hochsten Staatsanwalt and kann sie enter'
gewissen Veraussetzungen abberufent "wenn .sie gegen die Verfassung
and die Gesetze verstossen and ihre Pflichten ala Hichter oder alls
Staatsanweat 'grtiblichv erletzen". Die Volkskammer tragt also fUr die
Rechtsprechung die htichte Veraptwortunge Die Volkskammer tragt aber
auch die verantwvrtung.fUr die Gestaltung der Wirtschaftspolitik.
Der Entwurf bestimmt, dass die Wirtsdhaft alien "emn menschenwiirdiges
Dasein" zu sichetn and "dem Wohle des ganzeh Volkes and der Deckung
seines 3edarfes zu dienen" habee Dieses Recht der Burger, wie auc:'
date Rech.t- eines jeden auf Arbeit zu verwirklichen, ist die AufgaeE
der Volkskammer. Sie hat zusdiesem Zwecke den Wirtschaftsplan aufzu-
stellen and seine DurchfUhrung zu Uberwachen. So steigt die Volksver-,
tretung zu einer machtvollen institution empor, zu dem wahrhaften
Herrn im Staate und zum souverdnen Gestalter des staatliche% gesell-
schaftlichen and wirtschaftlichen Ganzene In der Hand der Volksver-
tretung liegt es, das staatliche, wirtschaftliche und gesellschaf-:;-
liche Leben so zu gestalten, Ade es dem Willen der Nation and dem Wehle
des Volkes entspricht.
?Eine Sonderheit d-es Entwurfes, die sie von a,Llen bisherigen deut-
schen Verfassungen abhebt, bedarf noch der besonderen Hervorhebung:
Die Grundrechte der BUrger and des Volkes and ihre Garantie. Der zwej,-
te and zentrale ,ebschnitt des Entwurfes befaset sich mit den Grund
rechten der Barger d des Volkes, die - ganz im Gegensatz zu den
Grundrechten des Bonner "Grundgesetzes" als umfassende Herrschafts
rechte des souverdnen Volkes ausgebaut sinde Sie'beginnen mit den per-
sonlichen Grundrechten, d.h. den'dechten der BUrger auf persbnliche
loreiheit -gegeniiber der WillkUt der Staatsgewalt. Hier ist festgelegt
der drundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, der Gleichheit der Ge-
schlechter., der persOnlichen Freiheit, des Rechts auf freie Meinungs-
ausa.erung, des Versammlungsrechts, des Vereinigungsr'echts d anderes
mehr?
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(Pressedienst) Rede von Otto Grotewohl 16
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Es folgen auf der naachsten Stuf.e die sozialen Grundrechte' die Rech-
'te gegeniiber wirtschaftlicher Willkar0 filer steht an der Spltze
dad Kbalitionsrecht.und das Streikrecht. is folgt das Recht auf Ar
belt, this -der Stat dtirch Wirtschaftslenkung zu sichern hat,-das
decht auf Urlaub und Srholung, auf Versorgung bei .Krankheit und im
Alter, das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter bei der Regelung der
und -Arbeitsbedingungen, Bowie der Froduktion, sodann setzt die
Verfassung die Grundsatze f?r ein einheitliches Arbeitsrecht -fest,
Aber auch diese sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte des
Einzelnen konnen nur dann verwirklicht werden, wenn die Wirtscha-ift
als Ganzes in der Hand der Nation, der deutschen Menschen liegt und -
nicht.auslandisahe Monopolisten aber sie das hachste Bestimmungs-
recht haben. Darum legt der Lntwurf die itontrolle Uber- die Wirtschaft
und die Aufgabe der hochsten Wirtschaftsgestaltung in die Hand der
Volksvertretung. Diese hat das Recht der Wirtschaftsplanung und
der Wirtsdhaftslenkung. Sie hat ferner das Hecht der Nationalisierung
von lndustriezweigen, wenn es das Interesse des deutschen Volkes
erheischt.
Hier ettisst der iintwurf vor in die Grundfragen menschlichen
Schaffens und Lebens und versucht den kenschen zu. ulosen as
den qudlenden Bedingungen einer Nirtschaft, die ihn von Airise zu
Krise jagt und ihm schliesslich nur noch die MOglichkeit gibt,
? diezem oder jenem Sehlachtfelde der Welt sinnlos zu verbluten.
*Die weiteren Atschniti.e der Grundrechte behandeln "Familie und
Mutterschaf.V. Ausfahrlieh werden die Fragen der rziehung und 3i1
dung behndelt. her 1st das Recht jedes BUrgers auf Bildung und
auf die freie Wahl seines Berufes festgelegt. Sf,hliesslich werden
"Religion und Religionsgemeinschaften" behandelt. "Alle BUrger
geniessen Crlaubens- und Gewissensfreiheito Die ungestbrte aeltgions-
ausUbung steht unter dem Sc:hutz der deptiblik." Die Religionsgemein-
selluften behalteAn die privilegierte Stellung, die sie bisher in
_Deutschland hat ben.
Die Prlifung oiler dieser Bestimmungen zeigt den Geist einer wahr-
haften Toleranz, die es den widerstrebenden interessen innerhalb des
Deutschen Volksrates ermOglichte, den Entwurf einstimmig anzunehmen.
Alle diese,Grundrechte der BUrger und des Volkes, so sehr sie im
einzelnen auch denen der Weimarer Verfassung dhneln mogen, Bind in
? einem von dieser Verfassung doch grundlegend verschiedene Sie
haben reale .larantien, wahrerid ,die Grundrechte der Weimarer Verfas-
Sung in der Luft hingen.
Das Neuartige des Verfassungsentwurfes besteht darin, dass die
Grundrechte der Barger und des Volkes zum Inhalt der Statsgewalt
eelbst erhoben eind. So heiset es im Artikel 4;
"Alle AaBnahmen der Staatsgewalt massen den Grundsatzen
entsprechen, die in der Verfassung zum Inhalt der Staats-
gewalt erkldrt sind."
Verldsst die Staatsgewalt den Boden der Verfassung oder weigert
sie.sich, die Verfassung durchzufiihren, so tritt das heilige Hecht
'des Volkes auf Widerstand gegen die Machtusurpatoren und
Kraft, denn es heist in dem Entwurf welter:
APIPessaimenomasemsot
Approved For Release 2011/01/12 : CIA-RDP82-00038R001000250007-8
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Approved For Release 2011/01/12 : CIA-RDP82-00038R001000250007-8
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Deutscher VolksKongress 290 mat 1949
(Preesedienst) Rede von. Otto Grotewohl
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17
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"Gegen na13nahmen-9 die den BeschlUseen der volkevertretung wider-
, n e
sprechen, hat jedermann den necht und die Pflicht zUm Widerstand"e
So tritt die Hoheit - die Souverdnitat - des Volkes ?selbst hervor
Se finden-auch verfassung und Grundrechte ihre reale verankerung. Auf
die reale Veranxerung einer Verfassung in den realeie geeellschaft-
lichen Zustanden eines volkes koztun-4es an.
"Politische normen nonnen. nicht beliebig Wie 3tikettien auf
? eine Weinflasche anfgeklebt werden, Politische Pormeksind.
nichts als der notwendige und eizentilmliche nusdruck, den sloh
? reale tatsachliche Lagen geben".
Sehaffen wir eine Verfassung, die den innersten Interessen qnseres
Volkes entsprech-4, dem Deang nach einem 'frelen, friedlichea, aufbau-f
enden.Leben, nach Teilnahme des Volkes an der aestaltung -seines eige4en
States und seiner G4meinschaft..Heben wir unser Volk selbst in die
Staatsmacht, legen wir in seine Hand die VerwirKlichung eirles? aolchen
Lebeni, sagen wir dem verfluchten Untertanengeist, der all6 Aktivitat
und Lebensfreude eretickt, uneeren erbarmungslosen Kampf an, damn
uns um die Verwirnlichung dieser Verfassung und um die Wiederge-
burt des deutschen Volkes zu einer frej.en, friedlichen und in der Welt.
ze,achteten Nation nicht bane sein. Moge Deutschland nie glaubent da0 -
man in eine neue Periode des Lebens treten konne, ohne em n neues
Ziel. flogees bedeaken, dass wirkliches Lebenvonufl!tenL, nicht von
oben her wachst, dass en erworben, aber nicht eegebein wird, auch nicht
von Militargouverneuren. Wir stehen an einem K7eUisweg des deutschea "
VOlkeso Auf ?dem Wege hinter uns liegen noch die dunklen Nachtschatten
der erbdrmlichen HitlereZeIt mit ihren StrUmen von Blut und TrdnenG
Diesen Irnweg muss Dentschland endlich und ?Ur limner verlassen. Wohin
fUhren die anderen Wege ? Der Weg der Aphthie und der politisahen
GleichgUltigkeit gegen unseren nationalen Notstand fiihrt uns auf
em n politisches Niemandelandl\auf-ein Sumpfgelande, das uns nur nochl
erlaubt, auf der Stelle zu treten, bis wir erbarmungslos in unserem 4
eigenen Ungliick verninken und ers.eicken. KOnnen wir diesen Weg gehen?
Nein, wir konnen ihn nicht gehen, wir dUrfen Ihn nicht ahen und wile;
werden ihn nicht geheii Wir wollen_ nicht sterben, soddern wir wollent
leben
Der zweite Seg fithrt ans water die Botmaaigkeit west_licher fremder
MilitArgouverneure,. die nur die Interessen ihres Landes, aber nicht -
nentschlands vertre=ten. Dieser Weg fiihrt uns in die Schuldknechtschaft
von Walistreet,-raubt uns unsere-Selbstbestimmung und macht uns zu
geillenlopen Kolonialsklaveno.Kbnnen wir diesen Weg gehen Nein, wir'
konnen ihn nicht gehen, wir diirfen ihn nicht gehen und wir werden ihn
nicht gehen0.30 bleibt uns nur noch cin Weg, der letzte ?Weg.i 1st
fill- 4ns aber auch gleichzeitig der Ausweg. Der Ausweg, er nach
vorn iiihrt, ins Helle, in eine lichtere and bessere Zukunft
Dieser Auswegofiihrt aber nicht nur nach vorn, sondern auch nach
oben0 Gewiss, der Aufstieg-ist achwer. Wir haben nicht viel mehr in
unserem Gepack, ale unseren Mut und unser Selbstvertrauen in unser
Volk. Aber, am 24nde des Weges wird em n freien4 friedliebencties und -
went
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Approved
For Release 2011/01/12 : CIA-RDP82-00038R001000250007-8
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Approved For Release 2011/01/12 : CIA-RDP82-00038R001000250007-8
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Deutscher Volkskongress 29. Mai 1949
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(Pressedienst) Rede von Otto Grotewohl 18
auch vielleicht noch in bescheidenen Grenzen wieder wohlhaben.des Volk
stehen. Konnen wir .diesen Weg gehen ? Ja, wir konnen ihn ehen,
wir
miispen Ulm g-ehen wad wir w erden ihn gehen. I Unsere Hand bleibt
au
diesem We jedem entgegengestreekt, der mit 1112.s gemeinsamt zur Eiza-
heit Dexitschlands? zu einem. gerechten Frileden tuad zu einem besseren
Leben. will. Un.seren Verfassungsentwurf aber werden.- wir .am Ende dieses
Weges a.ufpflanzett, wie eine Palma. Sie soll 1.1318 als eta 'Wegzeichen
leuehten, well unter ihrem Wirken. und Walten auch ffir _Deutschland
eine vvahrhafte Demokratie;- Frieden., Freiheit und Wohlstand sich ent-
fait en werden.
Approved For Release 2011/01/12 : CIA-RDP82-00038R001000250007-8
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