UBER DIE ERSCHEINUNGSFORMEN DER PSYCHOSEN
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CIA-RDP83-00423R001100640004-5
Release Decision:
RIPPUB
Original Classification:
K
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10
Document Creation Date:
November 9, 2016
Document Release Date:
April 28, 1999
Sequence Number:
4
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REPORT
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A. W. S n e s c h n e w s k -v
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Approved. For Release 1999/0/10 : CIA-RDP83-00423RO01100640004-5
Professor Dr. med., Direktor der Psychiatrischen Klinik des Fortbil-
dungsinstituts fir Arzte in Moskau.
Chefredakteur der Zeitschrift"Psychiatrie and Neuropathologie
namens S,S. Korsakow".
CPYRGHT
tjber die :Erscheinungsformen der Psychosen
Das Stadium einer jeden Sache oder Erscheinung sowohl in der Na-
tur als auch in der Gesellschaft and zwar bereits seit der Entdeckung
deb Feuers ist nicht von der Erforschung deren Wesens zu trennen.
Diese Feststellung ist durch das Streben nach Beherrschung der Dinge,
nach M acht caber die Erscheinung determirniert, durch die Bedurfnisse
der menschlichen Gesellschaft hervorgerufens Mit anderen Worten, es
dussert sich in ihr das schonungslose Kriterium der Erkenntnis, die
Praxis. Seit den altesten Zeiten beobachten die Arzte die verschie--
densten Psychosen, beschreiben sie die m.annigfaltigen Erscheinungen
der psychischen Storungen and versuchen, in dem Bestreben, die Hei-
lung der Krankheit herbeizuftthren, die objektiven Gesetzmassigkei-
ten, die den beobachteten pathologischen. Phanomenen zugrunde liegen,
aufzudecken and deren Wiesen zu begreifen (z.B. die P athologie der
schwarzen Galle ale Grundlage der Melancholic nach Hyppokrates). Das
jahrhundertealte Stadium der psychischen. Krankheiten ist niemals ein
rein klinisch-deskriptives, empirisches gewesen. Das Wesen der psy-
chischen Storungen and die ihnen zugrundeliegenden objektiven Gesetz-
massigkeiten warden entweder durch gedankliche Spekulationen oder
aber bis zu einem gewissen Grad objektiv interpretiert (die infektio-
se Etiologie der progressiven Paralyse, die organische Natur der
arterios1lerotischen Psychosen u.s.w.), verschieden je nach dem Niveau
der wissensohaftlichen Entwicklung eines Ortes, eines Zeitalters
oder einer herrschenden Weltauffassung.
Davon ausgehend kann man in der Entwicklung der Psychiatric fol-
gende Richtungen unterscheidens
Die am meisten verbreitete psychologische, (von ,quirol bis
Freud),di.e psychomorphologische, die evolutionare, die konstitutio-
nelle and die in den letzten Jahrzehnten entstandene physiologische.
Die wichtigste Besonderheit der psyclaologischen Richtung in der
Psychiatrie besteht in der Erkldrung des Wesens der psychischen Sto-
rungen vom Standpunkt der funktionellen Psychologie auf der Grund-
lage einer metaphysischen Interpretierung der psychischen Krankhei-
ten als--Krankheiten einzelner psychischer Funktionen (die Katatonie
als Willenskrankheit, die manisch-depressi_ven Psychosen als Krank-
heit der affektiven Sphare usw.), der ein unvermeidlicher Dualismus,
die Zoslosung der Psyche vom Gehirn and dem gesamten Org anismus ale
eines Ganzen anhaftet. Diese Richtung stiitzt sich in alien ihren
Variationen, von der assoziativen fru.her and bis zur Gest altpsycho-
logie heute auf abstrakte Schemen, auf den Subjektivismus; sie war
fast immer and bleibt auch jetzt eine gedanklich-spekulative.
Grade these Richtung wurde von Kleist treffend als "Die Psychia-
tric des Schreibtisches" gekennzeichnet.
Nicht bewahrt haben sich Versuche, eine objektive Forschungs-
methode zu schaffen, die die psychologisohen Interpretationen des
Wesens der psychischen Storungen bestatigen wurde, was seinerzeit
Krepelin richtig erkldrt hat. Eine solohe Methode, deren Ursprung
vor allem in den Arbeiten von Wundt zu su.chen ist, verwandelte sich
spdter zur Untersuchung mit Hilfe einer Unzahl von Varianten psycho-
logischer Teste
RdAY
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Ein unzweifelhaftes Verdienst der psychologischen Richtung ist
die eingehende, gldnzende Beschreibung der klinischen Phanomene der
psychischen Storungen, die Feststellung der Gesetzmassigkeiten im
Ab1 auf einzelner Krankheiten. Als aber mit der Zeit die psychologi-
sche Richtung immer mehr in eine Sackgasse, in die Sphare rein ge-
danklicher Interpretationen geriet, kam es auch zum Stillstand auf
dem Gebiete der klinisch-deskriptiven Forschungen, in der Unterschei-
dung and Differenzierung der Krankheiten. Die Anwendung der Psychoa-
nalyse in der psychiatrischen Klinik schematisierte die Mannigfal-
tigkeit der psychopathologisohen Phanomene, brachte in die arztliche
Praxis die sektiererische Mystik des Instinkts in Gegensatz zum
standigen Streben nach einer natir-wissenschaftlichen Grundlage.
Pur,ihre Zeit bedeutete die psychomorphologische Richtung (van
der Kolk, Meinert, Tamburini, Wernike, Kleist and andere) einen
Fortschritt,::rdie al,s Gegensatz zur psychologischen Richtung, als
Re-aktion gegen den'Dualismus, gegen die Trennung von Psyche and Ge-
hirn entstanden ist.-Der Vorzug der psychomorphologischen Richtung
bestand, verglichen mit der psychologischen, darin, dass sie u.ber
eine objektive Forschungsmethode, die Histopathologie, u.ber experi-
mentelle Daten der Funktionen des zentralen Nervensystems, der spate-
ren Neurochirurgie, die Rontgenforschung and die Elektrophysiologie
verfu.gte. Das Verdienst der Psychomorphologen besteht in der Schaf-
fung der pathologischen Anatomic and Histologic der Psychosen, sind
die hartndekigen Forschungen nach dem materiellen Substrat der
Phanomene der psychischen Storungen.
Da aber die Vertreter dieser Richtung umgekehrt nicht die Physio-
logic der hoheren Nerven.tatigkeit beherrschten and these verleugne-
ten, mussten sie unweigerlich in den Bannkreis der idealistischen
funktionellen Psychologie geraten, deren Erkenntnisse von ihnen be-
kampft wurden. Das Zuriickfuhren der psychischen Tatigkeit auf die
Gehirnstruktur reduzierte sich jetzt auf die Lokalisierung abstrakter
psychischer Funktionen in den verschiedensten Gehirnteilen.
Die psychische Tatigkeit wurde zu einer spontanen, einer vom ausseren
Milieu unabhangigen Gehirnfunktion, zum Produkt innerorganischer Re-
lationen. Soich ein Mechanismus fuhrte die Psychomorphologen zum
Idealismus.
Eine fortschrittliche Rolle in der Entwicklung der Psychiatric
fiel auch der.evolutionaren Richtung zu, die das Ergebnis der An-
wendung der Lehre Darwins auf die klinische Psychiatric gewesen ist.
Mowdsly, Ribeau, Jackson? Dupre and andere, waren bestrebt, eine
naturwissenschaftliche Basis fur die Psychologie zu schaffen. Sie
versuchten, die psychische Tatigkeit als ein Produkt der historischen
Entwicklung aufzuf assen, die psychischen Storungen in der Dynamik and
nicht statisch zu erforschen. Jedoch hinderte sie das Fehlen einer
konsequent materialistischen Weltauffassung an der Schaffung einer
naturwissenschaftlichen Theorie der Psychiatric.
Das Studium der psychischen Tatigkeit :im historischen Aspekt
fuhrte zur Entstehung einer rUckschrittlichen Konzeption der Identi-
fizierung der Erscheinungsformen der Psychosen mit der normalen.
psychischen Tatigkeit wirtschaftlich zurUckgebliebener Volkerschaf--
ten (z.B. die archaische Theorie der Entstehung schizophrener Symp-
tome).
Trotz der Bestrebung der Vertreter dieser Richtung, die psychi-
sche Tatigkeit als ein Produkt der Evolution der Tierwelt aufzufassen
and ungeachtet ihrer Anerkennung des Einflasses des Aussenmilieus
auf die Entwicklung der Psyche, wiederholen. sie nach wie vor die
Behauptung Mowdslys, dass: "unser seelisches Leben nicht Spiegelbild
der Natur, sondern die Schopfung eines Naturbegriffes (eine Ideali-
sierung der Natur)" ist. Von allem Anbeginn beherrschte die Vertreter
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der evolutionaren Richtung in der Psyehiatrie and vor allem Jackson
die dualistische Philosophic von Ben, welcher schreibt: " ..... wir
haben.jeden Grund anzun.ehmen, dass alle iahsere seelisohen Prozesse
von einer ununterbrochenen Reihe materieller Prozesse begleitet
rind.
Ein mutieer Versuch., den psychophysischen Parallelismus in der
Psyehiatrie zu. u.berwinden, war die Konzeption von Kretschmer u.ber
die korperliche Konstitution and den Charakter.
Er bemu.hte sick auch, eine naturwissenschaftlich-biologische Auffas-
sung vom Wesen einer Reihe psychischer Storungen, der Hysterie, der
psychogenen Reaktionen and der Psychopathie zu gewinnen. Die unkon-
sequent materialistische Welt auffassung, fuh.rte Kretschmer, wie auch
Vertreter anderer Richtungen in der Psychiatrie zur Biologisierung
des N enschen, . zur Fetischierung der Erbanlagen, zur Verwandlung je-
des I4enschen in einen konstitutionellen Trager psychopathologischer
Mechanismen, d.h. letzten Endes zur Konzeption der Degenerierung des
Menschengeschlechtes.
Es soil festgehalten werden, dass kein einziger von den Vertre-.
tern der beschriebenen Richtungen in der Psychiatrie vollkommen ken
sequent gewesen ist. In der Deutung des Wesens der.Psychosen neigten
die Psychiater immer schon zum Eklektizismus. So griff Krepelin
neben der psychologischen Auffassung des Wesens der psychischen Sto-
rungen auch zu evolutionaren Auffassungen, so auf dem Gebiet der
Psychopathie in der Register-Lehre. Jackson kombinierte evolutiondre
Anschauungen mit Psychornorphologismen. Bei Kretschmer treffen sich
biologische Konzeptionen mit Freud'schen Auff assungen usw.
Die Entstehung einer jeden Richtung in der Psychiatrie war von
dem Fortschritt der gesamten Naturwissenechaften abhangig. Gleich-
zeitig war die Naturwissenschaft machtlos, die inneren objektiven
Gesetzmassigkeiten, die den psychischen Phanomenen zugrundeliegen,
die ihr Wesen ausmachen? zu begreifen. ']... der seit Galileo unauf--
haltsame Lauf der Naturwissenschaft verlangsamt sich zum ersten Mal
merklich vor dem hbheren Abschnitt.de, Gehirnes, oder allgemein aas-
gedru.ckt, vor dem Organ der kompliziertesten Beziehungen der Tiere
zur Aussenwelt". (Pawlow.)
Diese Aufgabe Poste Pawlow. Als konsequenter Materialist nahni
er von den seit Jahrtausenden u.blichen gedanklich-subjektiven Kon-
struktionen in der Psychologie Abstand and unterzog das Gehirn einer
objektiven physiologischen Erforschung.
Pawlow hat mit Hilfe der von ihm geschaffenen objektiven Methods
bewiesen, dass die Funktionen des Gehirnes Funktionen der kompli-
ziertesten Beziehungen des Organismus zur Aussenwelt darstellen and
der bedingte Reflex ein Produkt der Einwirkung der Aussenwelt and
der Tatigkeit des Organismus ist. Er steilte fest, dass der bedingte
Reflex eine element are psychische Erscheinung ist, die mit demselben
Recht auch als eine rein. physiologisehe E:rscheinung angesehen werden
kann. Der psychische Geh.alt wurde von Pawlow in der Einheit mit je-
nen physiologischen Mechanismen erforscht, mit deren Hilfe dieser
Gehalt entsteht. Die Geh.irntatigkeit wurde von ihm rdumlich aufge-
fasst,,seine Funktion mit der Konstruktion in Zusammenhang gebracht.
Folglich wurden der Lehre von der hoheren Nerventatigkeit drei
Hauptprinzipien, das Prinzip des Determinismus, das der Analyse and
Synthese and das strukturelle Prinzip zugrundegelegt.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Psychiatrie entdeckte die
Pathophysiologie der hoheren Nerventatigkeit die objektiven Gesetz-
mdssigkeiten, die den Stdrungen der psychischen Tdtigkeit zugrunde-
liegen. Pawlow hat exper:imentell bewieson, dass jeder psychischen
Storung einen Menschen Storun en i~tn V Approved For Release 1999/09/10: CIA DP83-004~fRU0'11 4b00" 6 ?
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Nervenprozesse and im Zusammenwirken zwi.schen den Signalsystemen,
der Rinde and Subcortex-zugrunde liegen.
Die Gerechtigkeit zwingt mich zur Feststellung, das das Streben
nach einer physiologischen Auff assung der psychischen Storungen im-
mer schon die wissenschaftliche Tdtigkeit der fortschrittlichen rus-
sischen Psychiater, solch gldnzender Kliniker, wie M alenowsky, Balin
Balinsky, Kandinsky, Korsakow and anderer kennzeichnete. Darin aus-
serte sich der Einfluss der Ideen von Setschenow and seiner Vorgdn-
ger.
Die von Pawlow gescohaffene Pathophysiologie der hbheren Nerven--
tdtigkeit eroffnete schrankenlose Perspektiven fur die Entwicklung
der klinischen Psychiatric and ermoglichte es, den Sinn des Ablaufes
der Psychosen zu verstehen, die Zusammenhange aus den klinischen
Tatsachen zu deduzieren, die Gesetzmdssigkeiten im Ablauf der letz-
teren festzustellen und den Charakter des Ausganges von Psychosen
vorauszusehen.
Das einfachste Beispiel, das das oben Gesagte bestdtigt, ist die
Katatonie. Bereits die alten Psychiater kannten die primare and se-
cunddre Katatonie (z.B. SchUle). Unter der primdren Katatonie ver-
stand man eine psychische Erkrankung, die mit unmittelbaren kat ato-
nischen Symptomen ihren Ausgang nahm; unter der secunddren verstand
man die Entwicklung kat atonischer Phdnomene nach einer langwierigen
Bestandsperiode anderer Phanomene von psychischen, beispielsweise
paranoiden Storungen. Diese klinische T atsache, der eine grosse
prognostische Bedeutung zukommt, geriet mangels einer hinreichenden
Erkldrung in Vergessenheit. Die Deutung dieser Tatsache reduziert
sich auf die Feststellung einer wie man heute ublicherweise sagt
Syndrom-Transformation. Indessen liegen dieser Transformation objek-
tive Gesetzmassigkeiten zugrunde, deren Kenntnis uns fur das Gebiet
der Therapie and fur die Voraussage des Krankheitsablaufes,in die-
sem Fall der Schizophrenie,wappnet. ?Die Grundlage fur die Katatonie,
wie Pawlow experimentell festgestellt hat, bildet die Schutzhemmung.
Diese physiologische Schutzmassnahme, die im Prozess der Phylogenesis
entsteht, aussert sich bei den einzelnen Kranken verschieden. Bel
jenen Schizophrenen, die fiber eine gute Widerstandskraft des Organis-
mus verfUgen, wird die Schutzhemmung bei Vorhandensein gUnstiger Ein-
flu.sse des ausseren Milieus vom Beginn der Krankheit an zur Geltung
kommen. (Primdre Katatonie.) Im klinischen Bild einer Schizophrenia
it einem solchen Ablauf herrschen standi.g katatonische Phanomene in
der einen oder anderen Form vor. Bei Kranken mit einer geringen Wider-
standsfahigkeit, die von der Gesamtheit der ungUnstigen ausseren and
inneren Faktoren abhang:Lg ist, verlduft die Schizophrenia von Anfang
an deTgestalt, dass Erscheinungen vorherrschen., die die eigentlichen
Symptome der Krankheit sind. Bei einem solchen Ablauf der Schizophre-
ie dominieren in klinischen Bild paranoi.de Halluzination
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s
rsc
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ungen. Erst nach einem ldngeren Zeitverlauf,bei Auftreten von DestruA
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einungen and bei Verscharfung der Erregun s-Zustande ent-
ickelt sich die schutzende, translimitdre Hemmung (secunddre Kata-
onie).
s ist selbstverstdndlich, dass in dem einen wie in dem anderen Fall
ei Vorhandensein eines gleichen, oder, besser gesagt, eines fast
leichen klinischen Bildes, dessen innere Bedeutung verschieden ist.
leichermassen verschieden ist dann auch die Pro
no
di
g
se,
e therapeu--
ischen Anweisungen and die Wirksamkeit dieser Therapie. Wie as oft
ei der E
f
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orschung der Wirksamkeit der aktivenTherapie katatoni-
cher Zustande ist, werden letztere ohne den Versuch, sic zu diffe-
enzieren, beurteilt. Aber auch die primare K
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n alien Fallen gUnstig. Bei vielen an Schizophrenia Erkrankten wird
er urs run 14 h
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an.dene katatonische Zustand im Verlauf der
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Krankheit durch einen pcranoisch-halluzinatorischen Zustand abgelost.
Ein solcher f1bergang zeugt von einer rapiden Verschlechterung derv
Prognose infolge der Kapitulation der physiologischen Sehutzmassnah-
men, vomfJberwiegen der Erscheinungen der eigentlichen Krankheits-
symptome.
Die pathophysiologische Auffassung des klinischen Bildes einer
jeden Krankheit ale der Gesamtheit der Ausserungen der physiologi-
schen Schutzmassnahmen u.nd der eigentlichen (funktionellen oder orga-
h
i
n
sc
en) Krankheitssymptome deckt nicht nur den Sinn der einzelnen
Zustande des Kranken auf', sondern verhilft zu einer dynamischen Be-
trachtung jeder Krankheit.
Eine solche Auffassung des klinischen Bildes der Krankheit
schafft z.B. die Mbglichkeit, aus der fast untibersehb wren Fulle der
klinischen Erscheinungsformen der Schizophrenie deren zwei polare
.Formen, die katatonische, bei der die physiologischen Schutzmassnah-
men dominieren, and die paranoisch-halluz:inatorische
bei der die
,
Erscheinu.ngen des Brushes dominieren, herauszugreifen.
In ihrem klassischen Fall beginnt die katatonische Form des Ver-
laufes der Schizophrene mit dem fJberwiegen der physiologischen Schut
m assnahmen, ndmlich der Schutzhemmung. Der initiale Wahn bei der
Katatonie ist nicht systematisiert, er ist sinnlich-konkret (Kerbikow
bildlich (der Wahrnehmungswahn nach Jaspers), was auf die Erregung
des ersten Signalsystems (Iwanow-Smolensky) hinweist, bei Vorhanden-
sein von Hemmungsanzeichen im zweiten Signalsystemt davon zeugt auch
der diesen Wahn begleitende Verwirrungszustand. Der weitere Ablauf is
gekennzeichnet durch das Auftreten des hebephren-katatonischen Zu-
standes, der auf die Erregung der ju.ngeren ontogenetischen Verbin-
dungen and der ndheren Subcortex hinweist ale Folge einer tieferen
Verbreitung der Schutzhemmung, deren voile Entfaitung im Auftreten
des Stupor zum Ausdruck kommt.
Die friiheren Psychiater unterschieden mit vollem Grund (die
Prioritat auf diesem Geb:iete gehort dem englischen Psychiater
Richardson) zwei Arten von Stupor, den anergischen and den 'Jahn-
stupor. Spater hatte man diese klinische Differenzierung vergessen.
Erst in den letzten Jahrzehnten griff Mayer-Gross teilweise auf sie
zurtck and zwar bei der Beschreibung der oneroiden Zustande Beim
Ablauf der Schizophrenia? Indessen deckter die Forschungen von Iwanow
Smolensky das pathophysiologische Wesen des klinischen Unterschiedes
zwischen den zwei Formen des katatonischen. Stupors auf. In den Fal-
len der extensiven Verbreitung der Schutzhemmung, bei der die Analy-
satoren des dusseren Milieus bei einer Hemmung hauptsachlich im zwei-
ten Signalsystem and bei Phasenzustdnden im ersten erfasst werden,
nimmt das klinische Bild des Stupors einen.oneroiden Charakter an,
eine oneroide Katatonie ohne ausgesprochene Erstarrung (der rezepto-
risohe Stu or nach Iwanovv-Smolensky), der Wahnn.-Stupor nach den frUheren
Verfassern).
Bei einer partiellen Verbreitung der Schutzhemmung, vorwiegend
auf dem motorischen Analysator, entwickelt sich ein leerer (alten
Autoren zufolge, ein anergischer) Stupor bei Wahrung des Orientie--
rungvermogens, ohne nachfolgende Amnesie. :Bei dieser Form des Stupors
entwickeln sich alle Formen der muskuldren Spannung, Katalepsie, un-
bedingter Negetavismus (Reflex der Posenstarrheit), Stupor mit Er-
starrung. Die Erf ahrung zeigt, dass diese letzte Form des Katatonie-
Ablaufs mit Partieller Schutzhemmung in prognostischer Hinsicht weni-
ger giinstig ist ale die oneroide Form.
Natu.rlicherweise mass die Schutzhemrn.ung bei der katatonischen
Form des Ablaufes der Schizophrenia nicht ausreichen; In diesem Fall
wird die Schutzhemmung sich nicht auf grossere Tiefen ausbreiten.
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Hier entstehen fur langere Zeit Zustande der Verwirrung, hebephrene
oder katatonische Erregungen.
Wahrend der Genesung entstehen im kiinischen Bild kontinuierlich
jedoch in umgekehrter Folge katatonisch-hebephrene Erregungen, and
manchmal auch oneroide Zustande. Diese Gesetzmassigkeit kann man be-
sonders anschaulich in den Fallen der Genesung im Ergebnis einer
aktiven Therapie beobachten.
Indem Pawlow bei Tieren experimentell den katatonischen Zustand
zum Zwecke des Beweises, dass diesen die Schutzhemmung (ein hypno-
tischer Zustand) zugrundeliegt, hervorrief, entdeckte er, dass die
uskelerstarrung vor allem bei den Kaumu.skeln beginnt, dann auf die
Halsmuskeln Ubergreift and rich weiters auf die Extremitaten aus-
breitet. Dieselbe Gesetzmassigkeit kann man in der gleichen Form
auch bei der Entwicklung der kat atonisch.en Hemmung bei den Menschen
feststellen. In alien Fallen des kat aton.ischen Stupors entwickelt
sich die Muskelspannung vor alien in den Kaumuskeln, spater in den
Halsmuskeln, weiters in den oberen and schliessiich den unteren
Extremitaten. Am intensivsten ist die Mu.skelspannung immer in den
au- and Halsmuskeln ausgedrUckt (die nach Pawlow in ontogenetischer
Hinsicht am moisten entwickelt sind and von der Krankheit am stark-
sten getroffen werden).:
Das Vorwiegen der muskularen Spannung in den Halsmuskeln im Ver-
aitnis zu den Muskeln der Extremitaten begrtindet pathophysiologisch
das Symptom "des Luftpolsters".
Die polare katatonische Form des Ablaufes der Schizophrenie ist
die paranoisch-halluzirLatorisohe. Ihre pathophysiologische Besonder-
eit besteht im Vorwiegen der Erscheinungen der eigentlichen Krank-
eitssymptome, in der Storung des Zusammenwirkens der grundlegenden
ervenprozesse in Richtung einer Domination der Erregungs -Prozease
and der schwachen Wirksamkeit der physiologischen Schutzmassna-hmen
(der Schutzhemmung). In. ihrem klassischen Fall beginnt these Form
es Ablaufes der Schizophrenia entweder mit dem Phanomen der Zwangs-
orstellu.ng oder aber der paranoiden Syndrome, nit einem systemati-
ierten Verb alwahn. In weiteren Verlaufe treten infolge der Verstar-
ung der Erregungsprozesse akustische Pseudo- and eigentliche Verbal-
aliuzinationen hinzu, der Beeinflussungswahn (die Hemmung als ultra-
aradoxe Phase), das Phanomen des psychischen Automatismus, d.h. die
"
Ur die paranoische Form der Schizophron:ie obligate Kandinsky-Syn-
rome-(Kuraschow). In einer Reihe von Fallen geht die Entstehung
er ultraparadoxen Phase (der klinische -Beeinflussungswahn in ver-
chiedenen Variationen) bei dieser Form des Ablaufes der Schizophre-
ie der Entstehung von Pseudohallutintionen voraus. Auf den weiteren
ntwicklungsetappen der paranoiden Form des Ablaufes der Schizophrenia
ntsteht infolge der Ausbreitung destruktiver Erscheinungen die
chizophasie, ausser es entwickelt sich die secundare Katatonie, der
lie wohltuende, dem endgtltigen Zerfall vorbeugende Schutzhemmung
ugrunde liegt.
Bei Eintreten der Remission in Verlaufe der paranoiden Form der
chizophrenie, was bei weitem nicht oft vorkommt, verschwindet als
etzte die paranoide Syndrome (die Erregung in zweiten Signalsystem
ach Iwanow-Smolensky), noch Langer halt sich die Syndrome der
wangsvorstellung, welche nachdem sie bei Auftreten der Kandinsky--
yndrome verschwunden ist, nit der Remission wieder erscheint
Morosow).
Die Polaritat der katatonischen and paranoiden Form des Ablaufes
or Schizophrenia ist relativ. Wie schon bei einer Reihe von Umstan-
en erwahnt, kann die katatonische Form infolge der Kapitulation
er physiologischen Schutzmassnahmen in die paranoide and die para-
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noide Form in den spa-ben Etappen des Ablaufes der Schizophrenie um-
gekehrt in die katatonische iibergehen. Jedoch ist eine solche Trans-
formation von Syndromen nicht zufallig, nicht chaotisch, sondern
determiniert; es liegen ihr zugrunde die entsprechenden pathophy-
siologischen Gesetzmassigkeiten. Aus dem Gesagten folgt auch, dass
die Pathophysiologie der hoheren Nerven.tatigkeit die Moglichkeit
einer anderen Auffassung der Krankheitsformen and zwar nicht als
statische Gebilde, als "Klischees", sondern dynamisch, als eine Form
des Ablaufes des Prozesses schafft. Im Besonderen ermoglicht dies
z.B. die Hebephrenie lediglich ale ein Stadium der Entwicklung der
Katatonie, nicht aber ale eine selbstandige Form der Schizophrenie
zu betrachten.
Gleichzeitig muss unterstrichen werden, dass die Pawlow'sche
Auffassung der physiologischen Schutzmassnahmen keine vitalistischen
nosh Zweckmassigkeitsideen enthalt. Die Wirkung der physiologischen
Schutzmassnahmen erfolgt durch die Mobilisierung aller Ressourcen
des Organismus mittels der Konservierung eines Grossteils dessen
Tatigkeit. Eine solche Mobilisierung stellt eine weitgehende Anpas-
sung des Organismus an. das aussere Milieu unter geanderten Bedin-
gungen dar ?Schukow - Wereschnikow).
- Diese Mobilisierung macht den an Katatonie Erkrankten hilflos.
Mehr nosh, die Schutzhemmung bei der Katatonie unterscheidet sich
von der gewohnlichen Schlaf-Hemmung dadurch, dass im ersten Fall
es nicht zur Wiederherstellung des Zellenwechsels kommt (Faulbort).
Letzteres ist auch der Grund dafur, dass die Schutzhemmung in einer
Reihe von Fallen von Katatonie inert wird and langere Zeit bestehen
bleibt. Nichtsdestowen:iger bewahrt sie die Zellen der Hirnrinde vor
dem endgUltigen Tod.
Die Pathophysiologische Analyse des klinischen Bildes der Krank-
heit erschliesst die Bedeutung and die Kli_nik der atypischen Psycho-
sen. Atypisch ist beispielsweise das klinische Bu d des manischen
Stadiums der zirkularen Psychose. Die Entstehung der verwirrten M a-
nie, des manisch-oneroi.den Zustandes, der manisch-kataton-hebephrenen
Zustande, des Stupors, findet seine Erklarung entweder vom konstitu-
tionellg.enetischen Standpunkt, durch die Vermengung von Genen der
zirkularen Psychose und der Schizophrenie, oder aber in der gewohn-
lichen Feststellung des Vorhandenseins von Randpsychosen oder der
Veranderung im typischen Charakter der Klinik der zirkularen Psychose
auf der Hohe des manischen Zustandes (Lange, Kurt Schneider,). Im
Gegenteil zeigt die pathophysiologisohe Erforschung der hoheren
Nerventatigkeit von an der zirkularen Psychose Erkrankten, dass ein
solcher atypischer Charakter bedingt ist~durch die translimitare
Hemmung, die sich infolge der tiberreizung der Zellen der Hirnrinde
entwickelt. (Faddejwa). Der heiteren and der verwirrten Manie liegt
die Obnubilation der translimitaren Hemmung, von verschiedener
Intensitat, die sich auf das zweite Signalsystem ausbreitet, zugrun-
de. Die Verstarkung dieser Hemmung and die Entwicklung der Phasenzu-
stande im ersten Signalsystem f-Uhrt zur Entstehung des manisch-
oneroiden Zustandes; endlich fu.hrt die weitere Vertiefung der Schutz-
hemmung einen hebephren?-katatonischen Zustand and Stupor herbei. Je-
der Kliniker wird die geschilderte Reihenfolge in der Entwicklung
der atypischen Storungen im manischen Zust and der zirkularen Psycho-
se bestatigen.
Die pathophysiologische Analyse des atypischen Charakters des
manischen Zustandes erleichtert dessen Differenzierung von ahnli-
chen Zustanden der Schizophrenie and erweitert die terapeutischen
oglichkeiten. Das Auftreten der translimitdren Hemmung, die in der
Entwicklung von atypischen Symptomen zum Ausdruck kommt, let ein
Signal fur die Anwendung der Schlafterapie, da au -0
enscheinlich sine
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Tendenz des Organismus zur Schutzhemmung besteht. Bis zu diesem
Augenblick ist die Schla:fterapie nicht nur zwecklos, sondern auch
sehadlich, da sie die ohnehin geschwdchte Hemmung in Anspruch nimmt.
Wahrend der typischen Pe:riode des Ablaufess des manischen Zustandes
ist eine Heilung wie sie Bumke empfiehlt, namlich mit grossen Dosen
von Brom, das den Hemmprozess festigt, angezeigt.
Die Pathophysiologie der hbheren Nerventatigkeit beleuchtet auch
den unspezifischen Charakter der exogenen Reaktionen von Bonhoffor,
worUber schon lange Oseretzky sprach, and beleuchtet auf andere Wei-
se das Problem der negativen and positives Symptome von Jackson.
Die Schutzhemmung, die vor allem in dem ontogenetisch spatesten Ge-
bilde entsteht, namlich im zweiten Signalsystem, fUhrt zu Denk- and
Sprachverwirrungen; verstarkt sie sich, so befreit sie nicht nur das
erste Signalsystem, sondern ruft in diesera, indem sie die Kraftever-
haltnisse stort, eine ausgleichende and paradoxe Phase hervor.(Popow
Bei einer weiteren Vertiefung befreien rich von der Kontrolle die
frUhen ontogenetischen Verbindungen, wie auch die philogenetischen,
die nachstliegende Subcortex. Endlich befreien sich bei einer voll-
standigen Verbreitung der Hemmung die tie?eren Subcortexen Gebilde -
das extrapyramidale System. Bei einer solchen Reihung in dor Ausbrei
Lung der Schutzhemmung entstehen klinisch folgende Syndromen: Die
Amentia, das Delirium (Oneroide and Darnmerzustande des Bewusstseins,
Erregung and Stupor, d.h. BDnhOffersche exogene Reaktionen.
In allen diesen Fallen bestimmt sich das klinische Bild durch die
Tatigkeit der niedrigen, befreiten Niveaus der Gehirntatigkeit.
Der Tatigkeitscharakter dieser Niveaus ist unabadngig von der Spezi-
fizitat der krankheitserregenden Ursache; er bestimmt sich durch die
physiologischen Schutzmassnahmen, die Widerstandsfahigkeit des Orga-
nismus and durch die Anpassung dessen Tat:igkeit an die geanderten
Bedingungen. Und gerade deswegen sind solche Zustande auch nicht,
spezifisch and verlaufen in der Mehrzahl der Falle gUnstig.
Gegenwartig ist es auf der Grundlage der Lehre von den physio-
logischen Schutzmassnahmen and den eigentlichen Krankheitssymptomen
moglich, voll and ganz der Bedeutung der Hypothese von Jackson caber
die negativen and positiven Symptome (die Erscheinungsformen der
Psychose als Ausdruck der Hemmung der hoheren and der Befreiung der
niedrigeren Niveaus der Psyche) gerecht zu werden, die boi allen
ihren Fehlern ein Kbrnchen Wahrheit enthalten hat. Beschrankt durch
das damalige Entwicklungsniveau der Wissenschaft, and ohne eine
Ahnung von der Existenz der Gesetze der hoheren Nerventatigkeit zu
haben, hat Jackson die Bedeutung der negativen and positiven Symp-
tome universalisiert. Seine Auffassung der Gesetzmassigkeiten, die
diesen Symptomen zugrund.e liegen, war eine mechanistische.
Erscheinungsformen der Psychose reduzieren sich nicht auf die
Zustande, bei welchen die physiologischen Schutzmassnahmen dominie-
ren, d.h. ihre Klinik erschopft sich nicht mit der Tatigkeit der
niedrigen Niveaus der Gehirntatigkeit. Die Halluzinatorisch-parano-
iden, die manischen Zustande, der psychische Automatismus, die
Zwangavorstellungen and anderes, kennzeichnet das Vorherrschen von
Erregungserscheinungen, was ein Ausdruck der eigentlichen Krankheits
Symptome(der funktionellen oder organischen der hochsten Niveaus
der Gehirntatigkeit), ist, wodurch deren Spezifizitat je nach der
krankheitserregenden Ursache bestimmt wird. Mehr noch, and das ver-
dient besonders betont zu werden, begreift das klinische Bild einer
jeden Psychose auf jeder Etappe des Ablau:fes in sich die Erschei-
nungsformen der physiologischen Schutzmassnahmen and der eigent-
lichen Krankheitssymptom.e. So hangt das Eintreten der katatonisch-
oneroiden Zustande oder der katatonisch-hebephrenen Erregung nicht
nur von der Hemmung der hoher lie'genden Niveaus der Gehirntatigkeit
can oved or a Vase 1999/09/10 : C A-R~P8
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se darauf, Bass aie pe:riodischen Schwan.kungen jeden pathologischen
Prozess anhaften and entweder mit der Heilung oder bei der Bildung
einer Narbe verschwinden (Gorisontow). Jedenfalls ist die Zirkulari
tat eines der fruhesten and stabilsten'Storungen der hoheren Nerven
tatigkeit.
Diese Behauptung kann durch den Ablauf der meisten chronischen
Psychosen belegt werden. Periodisch verscharft rich and erlischt de
Wahn and die Aufregung bei Schizophrenia, periodisch treten epilep-
tische Psychosen auf and verscharft sick der Ablauf der Psychopa-
thien. Von den zirkularen Schwankungen nimmt nicht selten, was von
alien Klassikern der Psychiatric hervorgehoben wurde, die Katatonie
aber auch die progressive Paralyse ihren Anfang. (Bostrom).
Es ist selbstverstandlich, dass bei einer solchen Verbreitung diesel:
pathologischen Besonderheit these nicht durch vererbte Genen der
zirkularen Psychose erklart werden kann; sic ist vielmehr ein Ergeb-
nis der Einwirkung schadlicher Faktoren des ausseren Milieus auf die
hohere Nerventatigkeit, was Pawlow auch experimentell nachgewiesen
hat.
CP PrQd For Release 1999/09/10: CIA-RDP833-00423R001100640004-5
Das Studium dieser Gesetzmassigkeit hilft enter anderem dem
Arzt die FrUhformen der psychischen Erkrankungen (der Schizophrenia,
der progressiven Paralyse and anderer Prozesse), -zu erkennen and hat
ernete Bedeutung fur die Therapie der Psychosen.
Das Vorhandensein von periodischen Schwankungen in der Erscheinung
der Psychose sogar bei seit vielen Jahren chronisch Erkrankten (z.B.
bei Schizophrenen) beweist, dass die Bekampfung der Krankheit durch
den Organismus noch anh:alt, dass es noch keine Narbe gibt and dass
die Heilversuche nicht ale hoffnungslos aufgegeben werden sollen.
Im Rahmen des Vortrages ist es unmoglich, auf die Analysen ande-
rer Erscheinungsformen der Psychosen zu verweilen. Es kann lediglich
festgestellt werden, dass die Entwicklung der Lehre von der hoheren
Nerventatigkeit gegenwartig bereits das Horantreten an das patophy--
siologische Studium der meisten psychischen Erkrankungen ermoglicht.
Approved For Release 1999/09/10 : CIA-RDP83-00423R001100640004-5
and ihre klinischen Erscheinungsformen mannigfaltig. Es gibt Hinwei
rungen der Erregungs- and Hemmungs-Prozesse, was in dem periodische
fJberwiegen des amen odor anderen Prozesses seinen Ausdruck findet.
Eine solche Strung dear hoheren Nerventatigkeit let Behr verbreitet
eine Spur in der Form on periodisch auftretenden Gleichgewichtssto
lichen Krankheitssymptomen macht den Arzt zu einem wissenschaftli-
chen Erforscher der Krankheit and gibt ihm grosse Moglichkeiten fur
seine ther_apeutiechen Bestrebungen.
Endlich muss man auf einem wichtigen Problem der Pathophysiolo-
gie der hoheren Nerventatigkeit, dem Problem der Zirkul aritat, ver-
weilen. Durch experimentelle Forschungen an Tieren zeigte P awlow,
dass sogar eine einmalige Unterbrechung der hoheren Nerventatigkeit
oft nicht ungestraft vorbeigeht. Diese Unterbrechunff hinterlasst
nisses zwischen den physiologischen Schutzmassnahmen and den eigent+
der Erregung (der eigentlichen Krankheitssymptome ab); Dieser
Durchbruch wird hervorgerufen durch die krankheitserregende Schad-
lichkeit auf dem Gebiete des ersten Signalsystems bei oneroiden
Zustanden and in der n.achsten Subcortex bei katatonischer Erregung.
Bei der paranoiden Halluzinationsform der Schizophrenia erschopft
sich das klinische Bild durchaus nicht allein in der Erregung. Da-
neben greift Platz die Wirkung der physiologischen Schutzmassnahmen
der ultraparadoxen Phase der translimitaren Hemmung, was klinisch
"im Beeinflussungswahn" seinen Ausdruck findet. Folglich handelt as
sich in jedem einzelnen Fall um das relative TJberwiegen der physio-
logischen Schutzmassnahmen and der eigentlichen Krankheitssymptome.
Dieses relative TJberwiegen ist in den einzelnen Etappen des Krank-
heitsverlaufes verschieden. Die richtige Einschatzung des Verhalt-
tPYRW~rove For Release 1999/09/10 : CIA-RD,P083-00423RO01100640004-5
Von ausserordentlicher Bedeutung let die :reststellung, dass die
veranderten patophysiologischen Daten nicht durch Gedanken-Spekula-
tionen, sondern auf Grund von objektiven Forschungsmethoden, durch
die Schaffung von Modellen der Krankheiten der hoheren Nerventatig-
keit bei Tieren oder aber mit Hilfe der laboratorischen Forschungen
der hoheren Nerventatigkeit an Kranken gewonnen wurden. Auf diesem
Gebiete wurde besonders viel von den Schu
lern and Anhan
ern P
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ndmlich Iwanow-Smolensky, Petrowa, Krasnogorsky, Protopopow, Tschesto
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opow, and anderen geleistet.
Die Lehre von der Patophysiologie and Physiologie der hoheren
Nerventatigkeit bringt keineswegs die physikalisch-chemischen,
histologischen noch die ;psychologischen Forschungen zum Fortf all.
Im Bezug auf die letzteren unterstrich Pawlow mehrmals, dass uns
im Leben nur eines interessiert, das ist unser psychischer Gehalt.
Der Naturforscher bewegt sich bei der Erforschung des Gegen-
standes von der Erscheinung zum Wesen erster Ordnung, dann zum Wesen
der zweiten, dritten Ordnung new. ohne Ende. Ale Wesen erster Ordnung
gilt bei den psychischen Storungen die Strung der hoheren Nerventati
keit. Jedoch liegen sowohl der Erregung ale auch der Hemmung physi-
kalisch-chemische Prozesse zugrunde; folgl.ich erfordert das Verstand-
nis des Substrates der Psychosen auch biochemische and elektrophy-
siologische Forschungen. Genau so notwendig sind auch Forschungen auf
dem Gebiete der strukturellen Veranderungen des Gehirnes and des ge-
camten Organismus als Gauzes.
Vor Pawlow versuchten die Psychiater, die aber lose BruchstUcke
der Wahrheit verfUgt haben, mittels gedanklich-spekulativer Verall-
gemeinerungen das Wesen der Psychosen zu ermitteln.
Die Bedeutung der Lehre von der hbheren Nerventatigkeit besteht
darin, dass sie die Moglichkeit fur die Einheit der klinischen,
physiologischeri, physikalisch-chemischen and anatomischen Erforschung
der psychischen Krankheiten, die Moglichkeit der Entdeckung der ihnen
zugrundeliegenden objektiven Gesetzm.ssigkeiten geschaffen hat. Darin
besteht das Unterpfand fur den erfolgreichen Kampf gegen das schreck-
liohste Leid der Menschheit, das Irresein.
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