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. Henry Miller: Wahrhaftig, man kann
es sich nidit aussuchen! Die Not hat
mir als Schriftsteller manches Gute
gebracht. Sie vermittelte mir viel Le-
benskenntnis. Also hat mich die Not
bereichert und nicht arm gemacht.
Aber auf Grund meiner Erfahrungen
miichte idi die Armut niemand emp-
fehlen, und ich wurde allen jungen
Kiinstlern, wenn ich die Macht dazu
hatte, ein Leben ohne Sorgen ver-
schaffen. Das um so mehr, als bei
einern Menschen, der etwas auszu
sagen hat, das Talent und das Genie
immer alle Misere uberdauern wird.
Nichts kann es umbringen.
Verpa[3te Chancen
London (UP). Der liberale ,,Man-
chester Guardian" kritistierte am Mon-
tag die Politik der Westmadite in
Berlin, die es nicht verstanden hatte,
aus der Lage nach den Juni-Unruhen
entsprechenden Nutzen zu ziehen. In
Berlin herrsche die Meinung vor, daB
die Westmachte sich nur auf die Ab-
sendung von Beileidstelegrammen be-
schrankt batten, statt die politischen
Moglichkeiten zu nutzen, die die deut-
schen Arbeiter ihnen geboten haben.
Wurzburg (AP). Die Arbeiter in
Ostberlin und der Sowjetzone batten
am 17. Juni mehr fur die Wiederver-
einigung Deutschlands getan als die
Diplomaten in alien Verhandlungen
der letzten Jahre. Dies erklarte der
bayerische SPD-Vorsitzende von
Knoeringen.
Tagung der Jugend
Berlin (Eigenbericht). Hauptthemen
der Jahresversammlung des Euro-
-paischen Jugendrates, die in den letz-
ten Tagen in Westberlin stattfand,
waren die Fluchtlingsfrage und die
Jugendarbeitslosigkeit. An dieser Ta-
gung nahmen fiber 80 Delegierte tell.
Die Versammlung lehnte einen Antrag
ab, Franco-Spanien als stimmberech-
tigtes Mitglied aufzunehmen.
Declassified and Approved For Release 2012/05/24: CIA-RDP80SO154OR002200230025-1
Tagung des 1 uropaischen Jugendrates in
Berlin. Der Vorsitzende der Sozialisti-
sdnen . Internationalen Jugend, Peter
Strasser (Wien), im Gespradi mit dem
Berliner SPD-Vorsitzenden Franz Neu-
mann. Foto: Krankel
46 Vopos hingerichtet
Sowjetische Militargerichte fallten die Todesurteile
Berlin (TE-Eigenbericht). Durdi Mili-
targerichte der Sowjets wurden ins-
gesamt 15 Offiziere und 31 Mann-
schaftsgrade der Volkspolizei wegen
,Befehlsverweigerung und Wider-
standes gegen die Rote Armee" zum
Tode verurteilt. AuBerdem " erhielten
578 Vopo-Angehbrige langere Frei-
heitsstrafen.
Im Bezirk Rostock wurden 178 Teil-
nehmer des Juni-Aufstandes zu insge-
saint 462 Jahren Zuchthaus verurteilt.
In Untersuchungshaft befinden sills
zur Zeit noch 435 Demonstranten. Auf
Drengen der Arbeiter muBten 173 Per-
s'onen, die an den Streikaktionen be-
teiligt waren, wieder freigelassen
werden.
7753 wurden entlassen
Berlin (TE-Eigenbericht). 7753 So-
_ wjetzonenhaftlinge sind nadl Mittel-
lung des"Pankower Generalstaatsan-
waltes aus der Haft entlassen wor-
? den. Die Entlassenen seien in der
Mehrzahl ?Menschen, die wegen an-
geblicheh Vergehens gegen das..?"Ge-
setz, zum Schutz des Volkseigentums"
Zuchthausstrafen von einem bis drei
a Jahren erhalten batten.
Ober 10 000 Anzeigen gegen pri-
vate Unternehmer wegen angeblicher
Steuersabotage sind am vergangenen
Wochenende von den Sowjetzonen-
Justizbehbrden annulliert worden. In
Ostberlin wurden gleidizeitig 52 be-
schlagnahmte Unternehmen an ihre
ehemaligen Besitzer zuriidkgegeben.
Die einzige Antwort
Berlin (Eigenbericht). Bischof Dibe-
lius erklarte am Sonntag uber den
NWDR, daB die Kirche alles tun
werde, um den Opfern und Leidtra-
genden des 17. Juni zu helfen. Die Kir-
die habe kein Hehl daraus gemacht,
daB ihr Herz beim deutschen Arbeiter
sei, der in diesen Tagen gegen die
diktatorische Gewalt aufgestanden ist,
die ihm alles zumuten zu konnen
glaubte. Die einzige Antwort auf die
Vorkommnisse des 17. Juni konne nur
die beschleunigte Wiedervereinigung
Deutschlands sein.
Fall Evans wird aufgerollt
London (dpa). Innenminister Sir
David Maxwell Fife hat die Uberprii-
fung des Mordprozesses Evans an-
geordnet. Von mehreren Seiten war
der Verdacht geaulert worden, daB
der Hingerichtete. einem Justizirrtum
zum Opfer gefallen sei. Der Last-
wagenfnhrer Evans war 1950 gehenkt
worden, nadidern seine Frau und
seine Toditer erwurgt aufgefunden
worden waren. Er wurde wegen Mor-
des an seiner Tochter verurteilt. Der
Frauenmiirder Christie hatte gestan-
den, Frau Evans get8tet zu haben.
Soil der KUnstier darben?
Die fur ihre interessanten Umfragen bekannte Pariser Literaturzeitung ?Les
Nouvelles Litteraires" stellt jetzt das Thema ?Kunst und Not" zur Diskussion. Wir
entnehmen dem Blatt einige Antworten von PersSnlidtkeiten des internationalen
Geisteslebens, soweit sie allgemeine Giiltigkeit haben.
Jean-Louis Barrault: Ein Anfang im
Wohlstand macht den Kiinstler un-
bestandig. Den jungen Lenten um
zwanzig erscheint die Armut mit einer
bestimmten (sehr fruchtbaren) Ro-
mantik verbunden. Indessen: Man
soll Burch die Not hart werden, aber
nicht an ihr zerbrechen. Zuviel Kalte
schadet allemal dem Obstbaum. Ein
normal strenger Winter jedoch sidiert
die Ernte.
Arthur Adamoy: Alles hang von
der Entfaltung der Persbnlichkeit ab.
Die Armut kann sie erwecken oder
einschlafern. Ich finde. daB gewisse
menschliche Erfahrungen fur den
Kunstler niitzlich und wunsdhenswert
sind. Es ist aber keineswegs erwie-
sen, daB niaterielle Not das Genie ent-
wickelt. Ihr einziger Vorzug ist es,
einen.gewissen Diinkel zu verhindern,
den die Leute mit Banknoten haufig
haben.
Jean Vilar: Die Not ist auf jeden
Fall ein tuchtiger Lehrmeist@r. Ich
habe das bei vielen Kollegen am
Theater festgestellt, die schwere Zei-
ten hinter sick haben. Die Not formt
den Charakter, ja. Nur soil man keine
romantische Sadie daraus machen, wie
as heute manche Gruppen des Nach-
wuchses tun.
Beatrix Beck: Die Armut ist fur den
Kunstler eine absolute Notwendigkeit.
Wenn man sie nicht durchschreitet,
bleibt ein ganzer Zug des Lebens, eine
ganze Kategorie von Menschen, die
man nie verstehen wird.
Bissiger Humor
Amerikanische Theaterkritiker sind
wegen ihres bissigen Humors bekannt.
Rezensionen wie: ?Das Stuck war so
lausig, daB selbst die Pausen lang-
weilig waren", sind dabei keine Sel-
tenheit.
Nadi der Premiere von ,Heute nadit
oder nie" schrieb George Jean Nathan:
,,Nun denn: nie!"
Ein anderes Mal schloB er seine Kri-
tik mit den Worten: ,Ich habe fran-
z8sische, englische und deutsche Ka-
meliendamen gesehen. Aber erst sett
ich Mill Galienne sah, weiB idi, daB
Camille nicht an Tuberkulose, sondern
an einem Katarrh starb."
Nicht weniger bissig war jener Kri-
tiker, der einst fiber eine junge, an-
Ce[esrlif
MaBe das Volkswagenwerk erst eine
Nachkriegssc118pfung ist, zeigen die
hohen Investitionen nach 1945 und
ferner die Tatsache,' dell heute our
nosh etwa 52 Mann aus der Grnnder-
zeit im Werk beschaftigt sind. Wenn
das Geridit jetzt durch Gutachter die
effektiven Produktionskosten eines
Volkswagens feststellen lassen will,
so lehnt die Leitung des Werkes dieses
Ansinnen strikt ab. Zunachst einmal
sollte das Geridnt feststellen, wer
juristisch der Vertragspartner der
Volkswagensparer ist. Erst danadi
konne man prufen, ob und inwieweit
der Schuldner zahlen konne. Als un-
erfreuliche Nebenwirkung dieses lan-
gen Prozesses kann das Volkswagen-
werk vorerst keine Bilanzen bekannt-
geben, da das ProzeBrisiko nicht abzu-
schatzen ist.
In der Frage des Eigentums macht
neben dem Bund neuerdings audi
Niedersachsen seine Anspriiche ener-
gisch geltend. Audi das wird wohl erst
einer langwierigen rechtlichen Klarung
bedurfen. Die Wolfsburger ' Leitung
wurde als giinstigsten Weg die Um-
wandlung in eine Aktiengesellschaft
betrachten, bei der die Aktien iffier
eine m6glichst groBe Zahl von Aktio-
naren verteilt werden. Fur die Leitung
hatte es den Vorteil, daB sie gegeniiber
Erfolg der grolleli Serie
Weni gehiirt das
Volkswagenwerk? - Keine Fortschritte im SparerprozeB"
Sw. Es war nidnt nur eine Jubilaums-
rede, was Generaldirektor Dr. Nord-
hoff zur Feier des 500 000. Volks-
wagens in Wolfsbyfg vor der in- und
auslandischen Presse ausfiihrte. Seine
Betrachtungen padcten einige drin-
gende Probleme der deutschen Auto-
wirtschaft beim Schopfe.
Der Erfolg des Volkswagens ist ein
Sieg rationeller Massenfertigung. Der-
artig groBe Serien gab es bisher in
ganz Europa nicht. Heute betragt die
Tagesproduktion 700 Wagen, bald
werden es 800 sein, und Raum bietet
das Wolfsburger Werk -f(fr 1000 Wa-
gen taglich. Allerdings nimmt mit
jeder vergriBerten Produktionsstufe
auch die Empfindlichkeit der Massen-
produktion bei Marktschwankungen
zu, aber bei dem hohen Auftrags-
bestand braudit man sich in Wolfs-
burg dariiber nosh keine Gedanken zu
machen.
Hoffentlich wird der"Volkswagen in
dies en-steigenden Serien so verbilligt,
daB er audi fur den Autofahrer er-
schwinglich ist, der den Kaufpreis aus
seinem versteuerten Einkommen be-
zahlen muB. Ist es nicht ein warnen-
des Zeichen, daB selbst bei dem preis-
werten Volkswagen 90 Prozent der
Kunden aus soldien Kaufern bestehen,
die ihn fiber Geschaftsunkosten laufen
lessen? ,
GewiB, der Anschaffungspreis eines
Wagens entscheidet nicht allein. Wenn
in den USA die GroBwagen nur ein
Fiinftel der Steuerlast des Volks-
wagens zu tragen haben, so ist dies
ein weiteres Kennzeidlen fur die
steuerliche Benachteiligung des deut-
schen Autofahrers. Das Auto - das
hat sich bei unseren Finanzamtern
noch nicht herumgesprochen - ist
heute kein Luxus mehr. Oder in der
pointierten Formulierung von Dr.
Nordhoff: ?Die technische Entwicklung
wird nidit dadurch aufgehalten, daB
manche ihr nicht folgen konnen."
Kaum zustimmen wird man dem
Leiter des Wolfsburger Werkes jedodi
in seiner Auffassung von der Mit-
bestimmung, zumal was die auBer-
betrieblichen Mitglieder des Aufsidits-
rates anbetrifft. Ihm erscheint die Er-
tragsbeteiligung der Belegschaft wich-
tiger. GewiB ist ein Durchschnitts-
stundenlohn von 2,15 DM in einer
Landschaft ohne Facharbeitertradition
eine respektable Leistung. Und auch
Dienstag, 7. Juli 1953
einer solchen Vielzahl von Kleinaktio-
naren in ihrer Werkspolitik wohl ziem-
lich freie Hand hatte.
Erleichterungen im
Lastenausgleich
Frankfurt (dpa). Beim Wahrungs-
ausgleich fur Sparguthaben Vertriebe-
ner sollen kiinftig bis zu 200 DM als
Ausgleidisguthaben ausgezahlt wer-
den. Der Beirat beim Bundes-
ausgleidisamt billigte eine entspre-
chende Vorlage, die nosh vom Kon-
trollausschuB genehmigt werden muB.
Bisher wurden nur bis zu 100 DM auf
Vertriebenenguthaben ausgezahlt. Fur
alte Leute fiber siebzig Jahre soll die
Quote von 150 auf 250 DM heraufge-
setzt werden.
Der Vizeprasident des Bundesaus-
gleichsamtes, Dr. Wilhelm Conrad,
gab bekannt, daB die Ausgleichsaglter
von jetzt an berechtigt sind, in be-
sonderen Hartefallen - wie Dauer-
arbeitslosigkeit und Lange Krankheit
- nach eigenem Ermessen Hausrats-
hilfe auch dann zu gewahren, wenn
die erforderliche Zahl von 60 Punkten
nach der Punkttabelle nicht errechnet
werden kann. Es diirfen jedoch nicht
mehr als 5% der ?Hausratshilfegelder
fur soldie Falle verwendet werden.
'Aktienmarkt wenig verandert
"Berlin (VWD). Der Aktienmarkt war
zum Wochenbeginn zunachst wenig
verandert. Die Geschaftstatigkeit blieb
ruhig, die Kursveranderungen waren
gering. Lebhafter wurden einige Bank-
aktien gehandelt.
Freie DM-Kurse vom 8. 7. (Mittel-
Aktlen Berlin
.. 8.7. 6.
Prankt
3.7. 6.7.
AEG (in DM) 83 83'/4 83% 84'/4
Asdi.-Zell ...... 64 64 661/2 65
MAN ........ 106 106 106 107
BMW ........ 251/2 25 29% 291/2
Bemberg ...... 44 44% 46 461/2
B Kindl. St..... 41 40 40 40
Bekula .... 541/4 54 54 54
Berl. Masai..... 30 30 29 29
Beton & Mon.. 98 99 97 98
BBC . 130 130 131 1321/2
ContiGumml ... 127 V27 126% 1262/4
kurse): Zurich 104,15; London 11,18%;
New York 23,31.
Personalien. Dir. M. Scheerbarth,
Leiter der Berliner Apparatefabrik
der Deutschen Philips GmbH., begeht
heute seinen 60. Geburtstag. Die
stetige Nadikriegsentwicklung der
Fabrik ist wesentlich auf seine Arbeit
zuriidkzufiihren.
Wechselkurs: Wieder 100 Ost zu
19,31 West und 100 West fur 550 Ost.
Daimler ..... 65 65 641/2 6511,
Demag .... 1142/4 116 117 118%
Di. Conti-Gas . 118 177%2 "116% 117
Dt. ErdSl . .. 87 87 87 871/,
851 85 851 86
F?eldmOhle . ? ? .. 134/4 135 132/2 133%
Herbs Gummi 139 139 140 140
1
das Wolfsburger Beispiel,? den Ar--=iioiznrnnn.......`. -.29:=?29%
beitern als Erfolgsbeteiligung den lunghans ...... 40, 41- .
gleichen Prozentsatz auf ihren Jahres tKvieunesmann..-... 14511/2 1999%
lohn zu gewahren, wie er als Divi Rhein-Braun i. 171" - 971' -
dende an die Kapitalseigner flieflt, RWB ....... 108% 1081/4
sollte moglichst viele Nathfolger fin- Sarotti ....... *762/4 76 L
- d- ` 9d,ering ...... ? ? a
1
mehr als der Kampf um ein pear
Pfennig Lohn. Wenn der Arbeiter auth
gleichberechtigter . Wirtschaftsbiirger
wird, so kann dies bei richtigem Ver-
standnis auf der Unternehmerseite das
Betriebsklima nor verbessern.
Sonderprobleme des Wolfsburger
Werkes bieten die Volkswagensparer
und die Eigentumsfrage. In welchem
scheinend nicht ubermaBig begabte
Naive schrieb: ,Als Fraulein Soundso
sich der Biihne zuwandte,.verlor eine
Familie eine gute Kodzin."
So schrieb der launige und bissige
Alexander Woolcott einmal: ,Wenn
Mr. Wilbur sein Studs ))Am halben
Wege zur Hiillee nennt, untersdiatzt er
die Distanz."
Auch Heywood Broun fiihrt eine
scharfe Feder. So nannte er einst
einen Mann ?den schlechtesten Schau-
spieler der Welt". - Der Mime klagte
darauf gegen ihn, doch Broun wurde
freigesprochen. Bel seiner ' nadisten
Kritik 'schrieb Heywood Broun uber
den gleichen Kiinstler: ?Herr Soundso
erreidife gestern abend nicht seine ge-
wohnte Leistung!"
Liest than these bissigen Formu-
lierungen, dann kann man nor fest-
stellen, daB die Berliner Theaterkritik
zu Unrecht ob ihrer Scharfe ver-
schrien ist.
Siemens St:
Siemens Vzg. .. .
Ver. Stahl ......
Westdt. Kaufh.
Wintershall .
Zellst. Waldhof
BHG
Commerzbk. .. .
Deutsche Bk. .. .
Dresdner Bk. .. .
Hapag .. .
Norddt. Lloyd ..
1091/2- 168/4
X28 7 .._'l9 ~_ Y
44 44
200 200
84'!,. 741/2
'171-"171
108% 108%
28% 29%
15% 15
/, 16 161/z
107 106 106 107
1041/4 104 103% 104
175 174 174% 174
1051/2 107 109 109%
105 106 1051/2 105
74 721%. 751/2 72
65% 65% 69 69'
44 44'/, 471/2 48
561/2 56'.1, 56% 57
54 541/, 55% 553/4
27 281/2 33% 34
26 26 29 29%
?Martha" in Rehberge
Flotows ?Martha" hat zwar keine
tieferen kiinstlerischen Ambitionen,
aber seine mandimal franzosisch
schmissigen ?und dann wieder mit
deutscher Sentimentalitat getrankten
Melodien haben ihr die Gunst des
Publikums erhalten: Eine Auffuhrung
auf der Freilichtbiihine kann die Markt-
szenen farbenreich ausspielen; und
wenn die Scheinwerfer abblenden und
nur nosh ein Lichtstreifen das Liebes-
paar anstrahlt, ist ein Stimmungs-
hintergrund geschaffen, wie ihn die
normale Opernbuhne kaum erreidit.
Dem Genschow-Stobrawa-Theater
gelang es jedenfalls, seinen groBen
Freundeskreis mit einer Inszenierung
der ?Martha" in den Rehbergen zu-
friedenzustellen. Als zierliche, mit
schlankem, klarem Sopran singende
Lady ilberragte Traute Schmidt ihre
Kollegen. Ihrem tenoralen Partner
Das tanzende Herz .. .
,,Das tanzende Herz" heiBt der
zweite Spielfilm der Berliner Capitol-
Film, mit dessen Aufnahmen am 9. Juli
in Tempelhof begonnen wird. Wolf-
gang Liebeneiner fiihrt Regie. In den
Hauptrollen: Gertrud Kuckelmann,
Hertha Steel, Gunnar Moller, Paul
Horbiger, Paul Henckels, ' Wilfried
Seyferth u. a.
Das Renaissance-Theater wurde von
den Stadtischen Biihnen in Hamburg,
Frankfurt am Main und Munchen ein-
geladen, von' Mitte Juli bis Ende
August mit der Kombdie ,Wechsel-
kurs der Liebe" von Noel Coward zu
gastieren. Die Hauptrollen spielen
Kathe Dorsch, Lucie Mannheim, Hu-
bert von Meyerindk, Carola Hahn und
Franz Lederer.
Der Immermann-Literaturpreis der
Stadt Dusseldorf fur 1952 wurde dem
Lyriker; Erzahler und. Essayisten
Georg Friedridi Junger verliehen. Er
wurde ausgezeichnet, well er ?die
Heiterkeit des Geistes mit einer kla-
ren Humanitat verbindet und unbeirr-
bar im Schwanken der Zeit das Ver-
trauen zum Leben bewahrte."
Heino Meinhardt wunscht man etwas
mehr Schmelz und Lockerheit. Hertha
Danner (Nancy) und Heinridi Ldffler
(Plumkett) boten, auf der Seite des
unproblematischen Humors stehend,
Leistungen, die diesem Rahmen. ent-
sprachen. Mit sicherer Charakteristik
gestaltete Edwin Heyer den trotteli-
gen Vetter der Lady; Helmut Gritzka'
bewahrte sich in einer Chargenrolle.
Renee Stobrawa zog die -Faden
einer side auf das- Wesentliche be-
schrankenden Regie; Hans-Joachim'
Wunderlidi faBte Orchester und Biihne
energisch zusammen. . DaB sick das
Publikum gut unterhielt, bezeugte
der haufig gespendete Beifall. K: R.
Begabter Dirigent
Das Konzert, mit dem Volker Wan-
genheims Mozart-Orchester im Kam-
mermusiksaal Kreuzberg -seine Saison
beschloB, bestatigte, daB sick der
junge Dirigent trotz der beschrankten
Moglidikeiten aufwarts entwickelt. In
Badis E-dur-Konzert hatte Mariele
Hofer den Part der, Solovibline iiber-
nommen. Noch wenig podiumserfah-
ren, ging sie nicht recht aus, sich her-
aus, doch ist ihr Bogenstrich,.mit dent
sie einen fulligen Ton erreicht,, be-
merkenswert. Helmut Schldvogt, der
ausgezeichnete Oboer, war an einem
Konzert von Telemann beteiligt. Wan-
genheim begleitete in beiden Fallen
sehr sorgfaltig. Seine starken musika-
lischen Energien entfesselte er aber
erst in Schuberts erster Sinfonie, der
er jugendliches Feuer mitgab. Es ge-
h6rt zu den Unverstandlichkeiten des
den in der uber 1000jahrigen Stifts-, Berliner Musiklebens, daB man ?h8he-
ruine mit einer glanzvollen Premiere ren Orts" von seiner dirigentischen
von, Beethovens ,Fidelio" erbffnet. Begabung keinerlei Notiz nimmt. K. R.
Declassified and Approved For Release 2012/05/24: CIA-RDP80SO154OR002200230025-1
Declassified and Approved For Release 2012/05/24: CIA-RDP80SO154OR002200230025-1
g~
Diens'tag, 7. Juli 1953
Berlin, den 7. Juli 1953
Kettenreaktion
w. n. Der innenpolitische Kurswech-
eel in Ungarn, der am vergangenen
Wochenende mit der Neubildung der
Regierung begann 'und MaBnahmen
-zur Verbesserung des Lebens ver-
spricht, erfolgt aus einer. ahnlichen
Situation heraus,. wie sie side in der
sowjetischen Besatzungszone Ende
Mai - dieses Jahres abzeichnete. Wah-
rend die Umstellung in der Sowjet-
zone mit aulienpolitischen Argumen-
ten zu begrunden' ist, namlich daB der
UdSSR daran gelegen ist, zt einer
Losung der Deutsdilandfrage zu gelan-
gen, laBt die Regierungsumbildung in
Ungarn darauf schlieBen, daB die So-
wjetregierung zur -Zeit beabsichtigt,
ihre Ostblockpolitik einer Revision zu
unterziehen. Sicherlich haben die Auf-
stande im Ostblock, die wie eine
Art Kettenreaktion erfolgten, niit zu
den Anordnungen Moskaus gefuhrt.
Die Frage, warum in Polen und in der
Tschedroslowakei, wo die Beunruhi-
gung und Unzufriedenheit der Bevol-
kerung ebenso stark ist wie in Ungarn,
kein politisdier Kurswechsel vorge-
nommen wird, findet ihre Antwort in
der Beriidcsichtigung der strategisdren
Wichtigkeit, die diese .beiden Satel-
litenlander besitzen, solange Sowjet-
truppen in Deutschland bleiben.
In der Sowjetzone wurden von der
fur die Politik der vergangenen Jahre
verantwortlidren. Regierung MaBnah-
men und Korrekturen ? angekundigt.
Darauf kam es, nach der Auffassung
sowjetisdier Beobachter, zu Unruhen
und deshalb hat Moskau fur die
Volksrepublik Ungarn den anderen
Weg vorgesdirieben: Erst Regierungs-
umbildung, dann Distanzierung des
neuen Kabinetts von der bisherigen
Politik und Ankundigung einschnei-
dender wirtschaftlidrer und politischer
Veranderungen. Gleidrzeitig wurde
der Poston des Generalsekretars.der
ungarischen KP abgeschafft.
Nodi'im Oktober 1952 erklarte Sta-
lin in seinem Aufsatz ?1ikonomische
Probleme - des Sozialismus in der
.UdSSR", der kapitalistischen Wirt-
schaftskoalition stehe die Wirtschafts-
front der europaisdren volksdemokra-
tischen Lander gegenuber, deren Exi-
stenz das kapitalistisdre Weltsystem
in eine tiefe Krise bringen werde.
Sollte die Sowjetunion mit der Re-
gierungsumbildung in Ungarn und den
abrigen MaBnahmen in ihrem Ein-
fluBgebiet wirklich kein Tauschungs-
manover der freien Welt durdrfiihren,
so kann dies alley nur eine vorlau-
fige Umstellung der ?sowjetisdten Ost-
blodcpolitik be.deuten. Selbstverstand-
lidr denken die Sowjets nicht daran,
ihr Ziel aufzugeben. Als in der So-
wjetirnion im. Jahre 1921 die neue
okonomische Politik (NGP) eingefilhrt
wurde, geschah dies ebenfalls aus
taktischen Grunden und in der Ge-
schidtte der KPdSU (B) heiBt es: ?Es
gibt Augenblidce, wo Parteien oder
Armeen einen Riidczug antreten mas-
sen, weil sie eine Niederlage erlitten
haben. In soldien Fallen tritt die
Armee oder die.Partei einen Riickzug
an, um sich und ihre Kader fur neue
Kampfe zu bewahren."
? Exportruckgang bei F. Werner A G
In den letzten Jahren hat die Fritz
Werner AG - seit?Jahrzehnten eines
der fiihrenden Unternehmen des Ber-
liner Maschinenbaus - einen wesent-
lichen Toil ihrer Kriegszerstorungen
uberraschend sdinell wieder - wettge-
macht. Die Besdraftigtenzahl' sdrnellte
von 700 in 1950 auf 3300 Mitte 1952
herauf, der'Umsatz vervierfachte sich
von 10 Mill. auf 38 -Mill. DM. Dieser
von -der allgemeinen Weltkonjunktur
getragene Erfolg wurde nicht zuletzt
durdi ERP-Kredite in Hohe von
18,5 Mill. DM ermoglicht. Bis zu
75 Prozent des Umsatzes der Gesell-
schaft waren Auslandsauftrage.
Seit der Jahreswende 1952/53 1st-die
'?' Konjunktur-fiir.diese Branche in der
westlichen Welt erheblich gedampft.
Absatzsdiwierigkeiten haben ? bereits
lnehrere Berliner Masdunenbau-Be-
triebe veranlaBt, verschiedene ihrer
Abteilungen in Kurzarbeit zu beschaf-
tigen. Da die Fritz Werner AG starker
als andere Firmen exportorientiert ist,
wird sie von der Konjunkturentwidc-
lung . audr ' starker betroffen. Am
Wochenende muBten daher 1284 Ar-
beiter und Angestellte, wie bereits
gemeldet, gekundigt werden.
Gegenwartig arbeitet die Firma an
der Fertigstellung eines neuen GroB-
frasmasdrinen-Typs, fur den im Aus-
land Interesse besteht. Die zustan-
digen Westberliner Stollen sind auBer-
dem bemuht, . wean notwendig, dem -
auf. eingeschrankter Basis arbeitenden
Betrieb weitere' Hilfe, zu. gewiihren.
Der in Berlin eingesdilagene_ Weg zur -
g
r
ge- . au
er
r
renwiese. am;.FuBe des
Besclraffung- von Daueiarbeitsplatzen . ewig junge Peter Aschenbrenner, der Nanga:Parbat. Das Wetter zeigtesidr
masse'fortgesetzt,werden; so betonte. bereits vor 20 Jahren hart unter dem - von einigen Schneestiirinen abge-
Senator Dr. Hertz. E. B. Gipfel des Nanga Parbat gestanden sehen - fdr einen Angriff auf :den
England zwischen links..und rechts
ChurthilIs Initiative hat die Popularifat seiner Regierung gehoben - Wahlprogramm der Labour Party
Van Peter K. Orton,
Londoner Korrespondent des ?Telegraf"
Es hat den Anstlrein, als ob
das Prestige der konservativen
Regierung in GroBbritannien,
die nach den Wahlen von 1951
ihr Amt mit einer bedenklidr
sdrwathen Mehrheit ubernahm,
heute hoher steht als seit lan-
gem und daB ' Ner wahlen im
Augenblidc wahrscheinlidt eine
starkere konservative Majoritat
.erbringen warden.
Der,Hauptgrund fur, das stei-
Sende Vertrauen in die konser-
vative Regierung Churchills
durfte in. der Verbesserung der
allgemeinen Lebenslage und
besonders in der Beruhigung
gemeinen Stabilisierung gefuhrt eine weit starkere Sympathie
hat, wird dabei genau so fiber- gestolen als innerhalb' seiner
sehen wie die Tatsache, daB eigenen konservativen Partei
diese scheinbare Gesundung selbst.
wegen ihres von aulieren Ein- ? Auf der anderen Seite ist sich
flussen bedingten Charakters auch die Labour Party bewuBt,
und wegen der Schwierigkeiten daB sie in dieser Situation sehr
der Umstellung auf eine Frie- ernsthafte Anstrengungen ma-
denswirtschaft nur oberflachlich then muB, wenn sie eine ent-
und voriibergehend sein durfte. sdreidende Mehrheit wieder-
Abgesehen von diesen unver- gewinnen will. Bei? der Aus-
dienten Lorbeeren aber hat die geglidrenheit des Krafteverhalt-
kiirzliche Initiative > Churchills nisses zwischen den beiden gro-
im Feld der internationalen Ben Parteien konnen kleine
Politik viel zur Hebung der Schwankungen des politischen
Popularitat seiner Regierung Barometers den entscheidenden
beigetragen. Der Durdrschnitts Ausschlag geben. Das hat sith in
englander fiihlt, daB zu einem den letzten' Monaten klar ge-
Zeitnunkt..wo das Prestige der zeigt, als der Scheinsieg der So-
Zwei Stufen auf einmal -- des geht schief.
der internationalen Spannungen USA dank der Ereignisse in
zu suchen sein. Beide Tatsachen 'Korea, der ?Machenschaften Se-
hangen eng zusammen und sind nator McCarthys und seiner
durch Entwidclungen bedingt, ' liintermanner sowie der um-
,die fast vollig auBerhalb der strittenenHinridrtungderRosen-
Kontrolle und Handlungen der
britischen Regierung liegen;
aber - die offentliche Meinung
legt nun einmai Lob sowohl wie
Tadel fur derartige Verbesserun-
gen oder Verschledrterungen
vor die Tilr der Regierung des
Tages.. DaB der wesentlichste
Faktor fiir die augenblidcliche
Besserung in dent Umschwung
der sowjetischen AuBenpolitik
seit dent Tode Stalins zu suchen
1st, die zu einem Riickgang der
Riistungslasten und zu einer all-
Frankreich und Italien viel boses
Blut erregt hat - in Europa und
Asien niedriger steht -als seit
langem, GroBbritannien plotz-
lich wieder eine . Fuhrerrolle
ubernommen hat. Das ist eine
Tatsache, die die moisten Eng-
lander, auch im sozialistischen
Lager, mit einem gewissen Stolz
auf ihre Regierung erfiillt. Chur-
drills beharrliches Bestehen auf
einer Aussprache mit den So-
wjets ist im ganzen Land auf
zralrsten - in den ' Gemernde-
wahlen durdi schwerwiegende
konservative Erfolge in ver-
sdriedenen Nachwahlen zurn
Parlament mehr als wettge-
macht wurde. ? .
. Die Labour Party ist daher
dieser Tage mit einem offiziel-
len Wahlprogramm herausge-
kommen, einer Festlegung, die
fur die politischen Parteien Eng-
lands ungewohnlith ist. Dieses
Programm, das sich kennzeich-
nenderweise Herausforderung
an GroBbritannien" nennt, hat
eine erstaunlidt gemisdrte Auf-
nahme gefunden. Wahrend eine
Reihe -der moist rechts oder
halbrechts stehenden Presse von
einer Verwasserung des So-
zialismus spricht, halten andere
Zeitungen dieses Programm fur
das rote -Tuch und fur einen
totalen Sieg der - radikalen
Bevan-Gruppe. Tats4chlich ent-
halt dieses Dokument, das
aullerordentlich trodcen und
vage gehalten ist und die wich-
tigen Fragen der AuBenpolitik
unbeantwortet lallt - hierzu
wird die Labour Party nosh eine
besondere Erklarung abgeben -,
Gedankengange sowohl des
rechten als'audr des linken Flu-
gels der Partei. Wirtschaftlich
wird weitestgeheride Unabhan-
gigkeit von den USA und engste
Zusammenarbeit'mit den ubri-
gen Landern des britisthen
Commonwealth angestrebt. Es
wird darauf hingewiesen, daB
eine derartige Unabhangigkeit
nicht ohne schwere Opfer in be-
Declassified and Approved For Release 201
zug auf die kleineren Annehm-
lichkeiten des Lebens erkauft
werden kann, teine Ehrlidrkeit,
die sich bei den nachsten Wahlen
leicht zuungunsten der Partei
auswirken kann. Verstaatlichun-
gen weiterer Industrien sollen
nach Moglichkeit vermieden,
aber alle von der konservativen
Regierung . aufgehobenen Ver-
staatlichungen wieder riidcgan-
gig gemacht werden. Dasselbe
trifft. auch auf alle-diejenigen
sozialen WohlfahrtsmaBnahmen
zu, die von- den Konservativen
eingesthrankt wurden. Eine
neue Labour-Regierung wird die
vollige Beseitigung des Kalten
Krieges und danach eine drasti-
sche Beschrankung der Rilstungs-
maBnahmen anstreben.
Es wird im Augenblidc viol
diskutiert, ob Churchill die -fur
ihn anscheinend gi nstige Kon-
stellation dazu benutzen wird,
durch Neuwahlen nodr in die-
sem Jahr seine eigene Stellung
zu festigen. Alle Anzeichen deu-
tendarauf hin, daB auth ihm
die Schwankungen des Ziing-
leins an der Waage zu unsither
erscheinen, um sich auf ein der-
artiges Abenteuer unnotiger-
weise einzulassen.-
Deutseher Sehicksalsberg Nanga Parbat
Sonderbericht fur den ',,Telegraf" fiber die,deutsch-bsterreichisd>